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Mehr InformationenLayla weiß schon seit ihrer Kindheit, dass ihr Vater die Borderline-Persönlichkeitsstörung hat. Ihre Mutter hat es ihr erklärt und sie redet auch mit ihrem Vater offen darüber. Sie merkt es aber vor allem an seinen Handlungen: Manchmal ist er aufbrausend, manchmal bricht er in Tränen aus und manchmal fühlt sie sich erwachsener als er. Sie halten immer Kontakt und haben auch zusammen gelebt, doch ganz einfach war es nie.
Wir reden mit Layla über die Höhen und Tiefen der Beziehung. Darüber, wie sie versucht den Kontakt gesund und trotzdem verständnisvoll zu führen. Und über Missverständnisse und Grenzen, die mit einer psychischen Erkrankung in der Vater-Tochter-Beziehung immer wieder auftauchen.
Weiter unten findest du einen Themenüberblick (inkl. Zeitstempel) und das Transkript der Folge.
Weiterführende Links:
BSV Köln zu mentaler Gesundheit:
https://koeln-bsv.de/bsvkoeln/mental-health/
Borderline-Projekt des BApK:
https://www.bapk.de/themen/borderline.html
Thema Deeskalation des BApK:
https://www.bapk.de/deeskalation.html
Instagram:
Falls du direkt zu einem Thema in der Folge springen möchtest:
00:23
Thema Psychische Erkrankung eines Elternteils. Layla steigt direkt ein und erzählt von ihrer Kindheit und den ersten Erfahrungen mit der Erkrankung ihres Vaters.
09:14
Thema Erfahrungen in der Kindheit. Layla beschreibt sehr anschaulich, wie sich die Beziehung zu ihrem Vater im Laufe der Jahre verändert hat und wie sie gelernt hat, heute besser mit seinen emotionalen Ausbrüchen umzugehen.
27:15
Thema Eigene Bedürfnisse. Besonders herausfordernd ist für Layla, mit Verletzungen aus der Vergangenheit umzugehen, ohne die Beziehung zu ihrem Vater zu gefährden, den sie trotz aller Schwierigkeiten liebt.
Transkript der Folge
Nele
00:02 – 00:10
Herzlich willkommen bei UNERHÖRT NAH, dem Podcast des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Wir, das sind einmal ich, Nele
Julia
00:10 – 00:10
und ich, Julia,
Nele
00:11 – 00:21
sprechen offen mit verschiedenen Gäst*innen über die Erfahrungen und Herausforderungen von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Erlebt mit uns, was es heißt, UNERHÖRT NAH dran zu sein.
Julia
00:23 – 01:16
Hallo von uns mal wieder, ich bin Julia, ich sitze hier heute mit meiner Kollegin Nele zusammen in unserem Podcast UNERHÖRT NAH und wir haben heute eine ganz junge Gästin, unsere jüngste bisher und zwar Layla. Layla ist sogar noch Schülerin, aber natürlich alles geklärt, dass sie hier mitmachen darf. Und Layla erzählt heute ein bisschen von sich bzw. wir reden mit Layla über das Thema, wie kann ich denn einen Kontakt und eine Beziehung mit einem psychisch erkrankten Elternteil gestalten oder mit einem psychisch erkrankten Menschen gestalten. Ja, wo sind da die Grenzen, wo fängt die Diagnose an, wo hört die Person auf, wie auch immer, wie kann man damit umgehen und welche Wege und Situationen gibt es, die daran besonders herausfordernd sind.
Julia
01:16 – 01:17
Also erstmal hallo Layla.
Layla
01:18 – 01:53
Hallo, es freut mich, dass ich hier sein kann. Ja, vielleicht noch ein bisschen zu meiner Person. Ich bin Layla. Ich bin 18 Jahre alt und mein Vater hat eine Borderline-Persönlichkeitsstörung, die ich auch seit frühester Kindheit zwar mitbekommen habe, aber mir bis, sagen wir mal, ungefähr so 13, 14 so ein bisschen vorenthalten wurde. Es gab in der Kindheit schon früher Psychiatrieaufenthalte von ihm, und es kamen auch öfters mal Therapeuten zu ihm nach Hause, wenn ich dann da war, wenn Eltern getrennt sind. D.h. ich hab das so ein bisschen mitbekommen und musste dann immer ein bisschen aus dem Zimmer rausgehen.
Layla
01:54 – 02:25
Mir wurde aber nie wirklich klar eine Erklärung dafür gegeben, bis ich dann irgendwann mit 13, 14 auf der Couch war. Meine Mutter war so, ja, du weißt ja, der hat Borderline, blablabla. Ich dachte mir so, ui, wusste ich nicht. Ich wusste zwar zu dem Zeitpunkt schon ein bisschen was von der Krankheit, einfach nur, weil ich halt Interesse daran hatte, wie so psychische Gesundheit etc. Das heißt, es war mir jetzt kein Fremdwort. Genau.
Julia
02:25 – 02:50
Ich finde das erst mal einen ganz interessanten Einstieg, dass du sagst, du wusstest davon einfach ganz lange nicht. Das heißt, du hast ja im Vorgespräch gerade schon gesagt, du hast aber schon gemerkt, dass der anders ist. Und einmal natürlich wahrscheinlich durch die Psychiatrieaufenthalte, weil wahrscheinlich nicht jeder Papa in der Psychiatrie ein Gast ist. Und gibt es aber noch Sachen, wo du gemerkt hast, oh, da tickt der aber irgendwie anders als andere, also als deine Mutter oder als die Eltern von Freundinnen oder so?
Layla
02:52 – 03:18
Jein würde halt sagen, ich habe das mit der Psychiatrie, mir wurde halt nie klar gesagt, was das jetzt ist. Also ich kann ja vielleicht mal so ein bisschen, was heißt, eine Timeline geben, aber es war halt, er war nämlich erst in einer offenen, glaube ich, offenen psychiatrischen Anstalt, auch hier in der Nähe tatsächlich. Und da war es dann aber so, ich bin den tatsächlich auch einmal besuchen gegangen, aber ich glaube nicht, dass ich da wirklich eine Erklärung für hatte, warum der da ist. Es war halt einfach so, okay, Papa geht’s nicht gut, der ist jetzt da.
Layla
03:18 – 03:47
Das interpretiere ich jetzt auch immer so, oder ich denke mir, dass es so war, weil ich war da, keine Ahnung, vier. Also meine Erinnerung ist jetzt wahrscheinlich nicht mehr ganz die beste. Genau, dann war er in der Tagesklinik für mehrere Monate und war dann halt wie gesagt öfters da, weil es halt eine Tagesklinik war. Aber er war jetzt nicht fest da drinnen. Genau, da habe ich auch dann viele, da gab es ja auch dann so Workshops und alles. Also ich habe dann auch Geschenke von ihm bekommen und Dinge, aber da war halt auch nie wirklich der Anlass erklärt.
Layla
03:47 – 04:19
Es war einfach nur so, hier, dein Papa hat dir das gemacht. Und dann war ich so, okay, schön. Dann gab es danach einen Therapeuten, der, ich weiß nicht, ob ihm vorgeschrieben wurde, dass er da hingehen musste. Oder ob es gesetzlich vorgegeben war, gerichtlich. Oder ob es halt, wie gesagt, von ihm aus kam. Er hatte dann halt so Hausbesuche, wo es einfach nur so, okay, dieser Mensch ist jetzt wieder da, die reden jetzt miteinander, und ich muss aus dem Zimmer rausgehen. Bis er mir das irgendwann, er hat mir das einmal alles so ein bisschen runtergerattert und auch so ein bisschen mehr erklärt.
Layla
04:19 – 04:51
Da habe ich das einmal dann quasi erzählt bekommen und da hat es dann so geklickt, so ah darum war der Mensch da. Aber ich hatte zu der Zeit wenig so, ich hatte zwar Berührungspunkte damit und es wurde einem so irgendwie schleichend vermittelt, aber jetzt nicht klar auf den Tisch gelegt, so: Dein Vater hat das. Ich hatte zum Beispiel auch, ich habe leider den Namen absolut vergessen und ich weiß auch nicht, wie ich das wiederfinden kann, so ein Kinderbuch, wo es so ganz viele Tierfamilien gab und es gab so den Fuchspapa, der war so anders als alle anderen Väter.
Layla
04:51 – 05:24
Und ich nehme an, dass diese ganz kleinen Erinnerungen, die ich davon habe, wo ich auch den Plot nicht mehr ganz weiß, so ein bisschen da war, um mir das so leise zu vermitteln, ohne einem, so einem vierjährigen Kind, das jetzt einfach so auf den Tisch zu klatschen. Weil natürlich, wenn du einem vierjährigen Kind sagst, ja, dein Vater hat jetzt so eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, was kann das damit anfangen? Trotzdem glaube ich vielleicht nicht, dass es der richtige Ansatz war, das mir so lange vorzuhalten. Weil ich glaube, damit gehen halt vielleicht auch viele nicht nur Schuldgefühle, aber auch viel hinterfragen.
Layla
05:24 – 05:49
Weil wenn Kinder was nicht verstehen, geben die sich oftmals selber die Schuld, also wenn er dann irgendwie irrational sich verhalten hat oder wenn er dann versucht hat, einem irgendwie ein schlechtes Gewissen zu machen oder sonst was, dass man sich dann immer gefragt hat, warum macht er das gerade? Bis man dann halt irgendwann dieses Couchgespräch hatte und ich mir dachte so: Ah, und dann ratterte es und dann war es so klick, klick, klick. Ah, das macht doch alles jetzt irgendwie ein bisschen mehr Sinn.
Nele
05:49 – 06:19
Und das heißt, dass deine Mama dann irgendwann sich gekümmert hat, dass du da mehr Bescheid weißt, was da mit deinem Papa los ist. War die dann zum Beispiel auch diejenige, die dir dieses Buch gegeben hat und dich da auf so eine, sag ich mal, sehr versucht gute Weise, versucht da dran zu führen an dieses Thema, bis dann irgendwann dieses Gespräch kam, was eigentlich vielleicht längst überfällig gewesen ist. Also kam das dann schon überwiegend irgendwann von ihr, dass sie, dass sie sich gekümmert hat, dass du da Bescheid weißt?
Layla
06:20 – 07:09
Also ich nehme an, ja, wie gesagt, ich war sehr klein. Also ich weiß nicht, wer mir dieses Buch gegeben hat, aber in Anbetracht der Tatsache, dass mein Vater zu dem Zeitpunkt wenig Deutsch konnte und wahrscheinlich sich auch über seine Krankheiten nicht so stark bewusst war, nehme ich schon an, dass es von meiner Mama kam oder vielleicht von einer Therapeutin von meinem Vater empfohlen wurde oder so. Ich weiß jetzt nicht, wie es mit diesem Buch spezifisch aussah. Genau, aber jetzt auch im Nachhinein, als es dann immer so offener geworden ist als Thema, meine Mutter und ich sind sehr oft sehr lange über das Verhalten von meinem Vater, das Verhältnis von uns dreien, das Verhältnis zwischen meinem Vater und ihr zum Beispiel auch oder zwischen dann auch natürlich häufig mir und meinem Vater, weil das ja so ein bisschen das größte Spannungsverhältnis hatte oder so ein bisschen in Anführungsstrichen das Hauptproblem war, was er mit so anderen Menschen hatte.
Layla
07:09 – 07:32
Das ist nämlich auch so eine Sache, die vielleicht wichtig ist anzumerken, dass mein Vater und ich die einzigen Menschen sind, die so miteinander umgehen oder wo er solche Verhaltensweisen zeigt. Also klar, so manche anderen Menschen kriegen das so ein bisschen am Rande mit, aber es artet bei keinem anderen Menschen, selbst meiner Mutter, jetzt nicht so aus wie bei uns beiden.
Julia
07:34 – 07:50
Kannst du da mal ein Beispiel nennen? Also weil das ist ja im Endeffekt auch heute das Thema, die Beziehungsgestaltung quasi zwischen dir und deinem Papa. Gibt’s da Beispiele, wo du sagen kannst, da merkst du, dass er mit dir definitiv anders umgeht als mit anderen, beziehungsweise du auch mit ihm dann umgekehrt?
Layla
07:52 – 08:31
Es ist irgendwie sehr schwer, das zu beantworten, weil es an sich fast keine logische Erklärung dafür gibt. Also es ist… Ich weiß nicht, ob Menschen das vielleicht kennen, wenn man so… Es gibt einfach Personen, mit denen zankt man einfach immer. Egal, was man versucht, man ist sich darüber bewusst, dass man ein Problem hat. Also dieses Problem, dass man sich immer streitet. Aber irgendwie… Nee, es würde irgendwie nicht besser. Genau, also das Streiten artet halt einfach viel mehr aus. Zum Beispiel: Wir konnten irgendwann kein Monopoly mehr miteinander spielen, weil es dann darin resultiert ist, dass sich so ein 40-jähriger Mann mit so einem 6-jährigen Kind angeschrien hat, weil es halt einfach komplett eskaliert ist.
Layla
08:31 – 09:04
Und dann denkt man sich halt auch so, wie passiert das denn eigentlich? Also es waren halt ganz viele kleine Momente. Und ich glaube, das Problem in Anführungsstrichen ist halt auch, dass je näher du so einem Menschen bist, umso mehr kriegst du dieses Verhalten mit. Ich erinnere mich dran, meine Mutter hat das Verhalten von mir mitbekommen, dass er da z.B. versucht hat, einem… Da gehe ich später noch mehr drauf ein. Z.B. versucht hat, einem ein schlechtes Gewissen zu machen, als ich so 4 war, einfach sein eigenes Essen verweigert hat am Esstisch und meinte, nö, ich esse nicht weiter, wenn wir uns nicht vertragen oder wenn du nicht aufhörst.
Layla
09:04 – 09:20
So ein Verhalten kriegst du nicht mit, selbst wenn er es bei anderen Menschen gemacht hätte, kriegst du nicht mit, Tag für Tag mit diesen Menschen dann quasi lebst. Also ich glaube, viel davon kam halt auch einfach, dass wir die einzigen Menschen in diesem Haushalt waren.
Nele
09:20 – 09:54
Weil du das gerade sagtest, ich schließe mal daraus, dass du dann auch keine Geschwister hast, mit denen du dich da auch mal so drüber austauschen könntest, weil das ja manchmal auch ganz heilsam kann, festzustellen, Mensch, irgendwie ist das ja komisch hier grad mit Papa oder Mama oder so, was ist denn mit denen los, dass man da so ein bisschen im gleichen Boot sitzt. Das heißt, du hast das dann auch so ein bisschen mit dir ausgemacht oder dann vielleicht auch mit deiner Mama mal gesprochen oder gab’s du darüber hinaus noch Leute, bei denen du vielleicht mal angemerkt hast, ah irgendwie stimmt hier was nicht so ganz.
Layla
09:55 – 10:26
Tatsächlich nicht. Ich würde auch sagen, natürlich, dass es jetzt alles so ein bisschen Interpretationssache ist, ein bisschen lange her. Kann auch sein, dass ich so ein bisschen meine jetzigen Gefühle so auf mein kleines Ich projiziere. Aber was halt auch so das Problem war, klar, ich habe keine Geschwister. Was das Ding war auch, meine Mutter war zu dem Zeitpunkt von – Wie alt war ich da? – Da war ich von 4 bis 10, war sie mit einem anderen Mann zusammen, der halt auch, sagen wir mal, nicht so ganz von Vorteil war, mit dem zusammen zu sein. Also er war Alkoholiker, also kein guter Mensch.
Layla
10:26 – 11:03
D.h. ich hatte ja nicht mal diesen anderen Haushalt, wo es irgendwie besser lief. D.h. es war halt eigentlich eher so, ich erinnere mich noch, wir hatten so ne Klassenabschlusszeitung in der 4. Und dann stand da so, keine Ahnung, Lieblingsfarbe, Lieblingsessen, da stand halt auch Lieblingsort und ich hab einfach „bei Papa“ hingeschrieben. Wir haben uns zwar gestritten wie sonst was und angeschrien und was weiß ich. Trotzdem war das quasi meine heile Welt, bis meine Mutter sich dann von ihrem jetzt Exfreund quasi getrennt hat. Das man, glaube ich, auch noch mal so… Schwierigkeiten hat, wenn ich jetzt zum Beispiel an meine Probleme denke oder an mein Verhalten, wo ich mir denke, wo kommt das her oder meine Denkweise.
Layla
11:03 – 11:32
Dann habe ich vielleicht manchmal deshalb auch so Probleme zu differenzieren, aus welchem der beiden Haushalte das so jetzt übernommen wurde. Wenn es jetzt keine konkrete Verhaltensweise ist, wie jetzt zum Beispiel, dass als ich vier war, dann sehr oft mein Essen verweigert habe, wenn ich bockig bin. Eine sehr direkte Ursache, aber sonst habe ich das, glaube ich, oft, dass wenn ich an meine eigenen Unsicherheiten oder so denke, schon vielleicht mich mal mehr fragen müsste, wo kommt das her? Wahrscheinlich von beiden, aber deshalb ist es, glaube ich, auch schwer, das nur direkt auf ihn zurückzuführen.
Julia
11:33 – 12:01
Aber es ist natürlich wahrscheinlich schon krasser, also auch kommunikativ und entwicklungstechnisch ein großer Einfluss, wenn man einfach viel Zeit auch bei ihm verbringt, da wohnt und wenn du sagst, er ist Borderliner, dann mit seinen eigenen Gefühlen vielleicht zum Teil nicht so ganz klar kommt. Also Kinder lernen ja auch Verhaltensweisen von anderen. Also nicht, dass du jetzt auch solche Verhaltensweisen unbedingt an den Tag legst, aber es ist ja das, was du mitbekommen hast irgendwie und das macht ja auch was wahrscheinlich mit einem und in der Entwicklung.
Layla
12:02 – 12:44
Tatsächlich war ich gar nicht so oft bei ihm. Meine Eltern waren nie so wirklich krass lange zusammen. Die haben sich auch ganz kurz vor meiner Geburt quasi gefühlt erst kennengelernt. So ein Jahr oder so. Und waren dann auch nur ein Jahr irgendwie zusammen. Dann gab es direkt das große Problem, wer kriegt das Sorgerecht? Da gab es dann auch ganz, ganz viel Stress. Es ist dann an einen Punkt gekommen, wo meine Mutter ihm jetzt tatsächlich für verziehen hat, wo ich mich manchmal frage, wie. Aber als er dann so Angst hatte, mich zu verlieren, dass er mir so viel Müll über meine Mutter erzählt hat, dass ich sie irgendwann gar nicht mehr anfassen wollte und nicht von ihr am Kindergarten abgeholt werden wollte.
Layla
12:44 – 13:19
Das war auch eine sehr, sehr heikle Zeit. Ich glaube, das resultierte nicht daraus, aus dem konkreten Ereignis jetzt. Aber irgendwann wurde ihm auch gesagt, okay, du musst jetzt in Therapie gehen, das wird dir jetzt vorgeschrieben. Und wenn du jetzt halt nicht aufhörst, hier, weiß ich nicht, Heckmeck zu machen, dann kriegst du halt gar kein Sorgerecht, dann kriegst du nichts. Es ist dann darin geendet, dass ich alle zwei Wochen von Freitag, glaube ich, auf Samstag da war. Und dann irgendwann kam von Samstag auf Sonntag, und dann ab da wurde sich quasi nicht mehr an diese Gerichtssache gehalten.
Layla
13:19 – 13:55
Und dann hatten meine Mutter und er irgendwann ein Gespräch, kamen dann raus und meinten erst mal scherzhaft zu mir, Weihnachten ist gestrichen, Layla. Und dann meinten sie so, nein, nein, du darfst jetzt sonntags hierbleiben. Was halt auch so eine Riesen Errungenschaft für mich war, weil das Problem damals war halt auch, meine Mutter war sonntags abends arbeiten in der, glaube ich, Altenpflege oder sowas. Das heißt, ich war dann mit ihrem Exfreund quasi alleine zu Hause. Nicht, dass da jemals irgendwie was konkret passiert ist, wenn sie jetzt nicht da war. Ich will nicht, dass das Bild in Erscheinung tritt, aber es war trotzdem einfach super unschön.
Layla
13:55 – 14:27
Deshalb war das ein sehr wichtiger Moment für mich damals als Kind. Irgendwann kamen dann manchmal noch Montage dazu. Als sie sich dann von ihrem Freund getrennt hat, dann gab es auch mal Abende, wo der an einem Mittwochabend immer zu uns gekommen ist und wir zusammen Brettspiele gespielt haben. Und dann gab es auch mal eine Zeit lang, da war ich so 12 oder 13, da gab es so ein Ding, da habe ich einfach immer angerufen ein paar Tage vorher und habe das so ein bisschen selber koordiniert. Also ab da war es dann ein bisschen fließender Übergang.
Layla
14:27 – 14:35
Das Einzige, wo wir uns regelmäßig gesehen haben, war halt in den Ferien. Die waren immer so Hälfte, Hälfte aufgeteilt. Aber sonst habe ich ihn eher wenig gesehen.
Nele
14:35 – 15:09
Achso, okay, ja gut. Aber das klingt jetzt erstmal für mich danach, als wäre das eine sehr dynamische Kontaktgestaltung, die ihr da habt und dass du ja dann irgendwann, als du älter wurdest, das Ganze auch so ein bisschen mitbestimmen konntest, wie du das vielleicht auch haben möchtest. Ist es denn für dich heutzutage auch noch so? Dass du immer mal wieder neu überlegen musst, wie spreche ich jetzt mit ihm, was erzähle ich ihm genau, wenn ich ihm was erzähle, hast du so ein Gefühl dafür entwickelt, wie er jetzt vielleicht gerade drauf ist, was jetzt gerade geht, was vielleicht auch zu viel sein könnte?
Nele
15:10 – 15:11
Das waren jetzt ein paar Fragen, ich hoffe, dass das nicht zu viel war.
Layla
15:12 – 15:54
Also ich muss sagen, es hat sich, glaube ich, mit der Zeit relativ eher entspannt. Also das ist ja allgemein ein Ding bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen, dass sie, wenn die Person, die das hat, der betroffene Mensch dann halt älter wird, dass sich das oft eher beruhigt. Und auch in diesem einen Gespräch, wo er mir dann seine ganzen Psychiatrie-Sachen etc. erzählt hat, meinte er auch, dass seine Therapeuten damals halt zu ihm meinten, dass er wahrscheinlich irgendwann nur noch, in Anführungsstrichen, eine posttraumatische Belastungsstörung hätte, weil natürlich Borderline kommt nicht von ungefähr. Aber dass er sich dann halt so mit dem Alltag quasi runterkommen würde und vielleicht auch von sich selbst aus lernen würde, wie man mit Sachen umgeht, dass sich das eher beruhigen würde.
Layla
15:54 – 16:36
Und ich glaube, dass es… Und natürlich jetzt auch, dass ich mich mehr… zurücknehmen kann. Ich habe jetzt auch mehr Kontrolle. Ich kann dann vielleicht auch mal runterschlucken, selbst wenn ich es vielleicht dann nicht will oder denke, nee, eigentlich müsste der das jetzt hören, aber komm, das machen wir, wenn wir beide ruhiger sind und hab halt auch mehr so eine, was heißt Impulskontrolle, aber auf jeden Fall mehr Kontrolle über mein Verhalten als jetzt, weiß ich nicht, ich vor zehn Jahren mit so acht. Ich glaube schon, dass das definitiv die Lage so ein bisschen verbessert hat. Gleichzeitig habe ich aber auch einfach diese ganzen Gespräche von wegen, hey, wie wird das zwischen uns beiden weiterlaufen etc. sind halt eigentlich relativ verflogen.
Layla
16:36 – 17:14
Einfach nur, weil sie halt immer wieder gleich geendet sind und ich dann irgendwann auch keine Lust mehr drauf hatte und die halt als relativ unproduktiv angesehen habe. Einfach nur, weil es halt alle paar Monate sich auf so ein Gespräch zugespitzt hat, dann quasi so riesig explodiert ist und dann, naja, fing es wieder von vorne an. Also, es war dann am Anfang, nach diesem Sorgerechtstreit, um vielleicht noch mal so ein bisschen so eine Zeitlinie zu geben. Nach diesem Sorgerechtstreit, wie gesagt, war es halt oftmals sehr… Ich weiß noch, ich hab ihm damals in der Grundschule irgendwie so ein…
Layla
17:14 – 17:50
Was irgendwie ein bisschen widersprüchlich ist mit dem Lieblingsort bei Papa, aber in so einem goldenen Glitzerstift, das weiß ich noch, hab ich ihm so einen Brief geschrieben, so, hey, das heißt nicht, dass ich dich weniger liebe, aber bla, bla, bla, irgendwie will ich dich grad weniger sehen, etc. Ich hab ihm den Brief nie gegeben. Aber ich erinnere mich nur daran, dass ich ihn geschrieben habe, und ich finde, das vielleicht kann das so ein bisschen widerspiegeln, dass wenn so ein kleines Kind oder jüngeres Kind sowas schon formulieren muss, oder das Bedürfnis hat, das zu machen, oder denkt, dass es helfen würde, dass es vielleicht so ein bisschen was über das Verhältnis aussagt, was diese beiden Menschen haben, dann…
Layla
17:52 – 18:26
gab es mit, oh Gott, ich glaube, so der prägendste Moment, wo ich wirklich sage, oh Gott, in dem Moment ist definitiv was schiefgelaufen. Ich bin mit 13 quasi rausgeflogen, in Anführungsstrichen. Ich glaube, dieses ganze Spektakel ist nur deshalb passiert, weil er wusste, dass ich halt bei meiner Mutter unterkommen konnte. Und das war so, ich glaube, ich weiß gar nicht, ich habe, glaube ich, die Tür zugeknallt und bin irgendwie runtergegangen, weil ich irgendwie von ihm angestrengt war. Dann hat er mich angerufen, dass ich wieder hochkommen soll. Ich wollte irgendwie was einkaufen gehen, weiß ich nicht. Und dann meinte er so, ja, nimm halt deinen Mist und geh.
Layla
18:26 – 19:01
War dann offensichtlich am Weinen, ziemlich aufgelöst. Irgendwann hat er zu mir gesagt, guck mal, was für ein schlechter Vater bin ich. Du weinst ja voll. Und ist dann tatsächlich mit mir die Treppe runtergegangen. Hat mich bis so um die Ecke begleitet und wollte noch so eine Umarmung haben. Was, glaube ich, auch so ein bisschen zeigt, dass er manchmal selber emotional… Es klingt ein bisschen gemein, aber nicht ganz auf der Höhe ist. Es zeigt auch, dass es oftmals Sachen sind, die nicht aus bösem Willen geschehen. Das ist vielleicht eine ganz wichtige Sache. Das, was mein Vater macht, ich glaube nicht, dass das aus einem bösen Willen kommt, absolut nicht.
Layla
19:01 – 19:31
Ich glaube, manchmal vielleicht, so kennt man ja von sich selber vielleicht auch, wenn man so ein bisschen angezickt ist oder ein bisschen passiv-aggressiv ist. Ich glaube aber in dem Fall, das ist nicht Borderline, das ist Menschsein. Und manchmal versucht er einem so ein bisschen ein schlechtes Gewissen zu machen, aber selbst da in den Momenten ist er sich, glaube ich, gar nicht so krass drüber bewusst, was das mit dem anderen Menschen macht und ist viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. Also mein Vater hat mich absolut lieb. Also… Ich möchte nicht, dass das so rüberkommt, als wäre das aus bösem Willen.
Layla
19:31 – 20:04
Absolut gibt es Eltern, die das machen, nur um ihrem Kind eins auszuwischen oder weil sie ihr Kind wirklich nicht leiden können. Was halt vielleicht auch so ein bisschen Vorurteil mit Borderline ist, dass die alle komplett einfach nur verhasst sind und immer nur aggressiv und alles. Ich möchte absolut nicht, dass das Bild so vermittelt wird. Deshalb habe ich oft auch Probleme damit, wenn Menschen unreflektierte Kritik so an meinen Vater äußern, weil ich weiß, wie kompliziert dieses Verhältnis ist, aber ich alleine weiß das. D.h. wenn ich dann manchmal so ein bisschen Meh-Meh-Meh-Kommentare ablasse, hab ich ja mein Hintergrundwissen, wie ich eigentlich zu ihm stehe.
Layla
20:04 – 20:28
Aber wenn andere das machen, möchte ich nicht, dass die nur diesen falschen Eindruck von ihm kriegen, weil auch wenn meine ganzen Freunde ihn kennenlernen oder z.B. zwei Ex-Freunde von mir hatten immer absolut Angst, den kennst du, da ist so, hey ne, der ist wirklich super entspannt, außer wenn wir beide alleine sind. Jetzt bin ich ein bisschen vom Thema abgedriftet, aber ich wollte das nur sagen, bevor ich jetzt hier diese schlechten Erfahrungen so aufzähle.
Julia
20:29 – 22:27
Aber ich finde das, also um da mal zwischen zu grätschen gerade, finde ich einen ganz, ganz tollen Punkt, den du da ansprichst, weil das ja eigentlich auch das Thema umreißt, dass ein Mensch eben mehr ist als diese Diagnose und Borderline gerade, glaube ich, ist was, da gibt es so viele Vorurteile drüber und da denken, also ich erlebe das viel, wenn ich sage ja ich hab mit jemanden mit Borderline gearbeitet oder was auch immer, dann ist die erste Reaktion ganz oft so ein irgendwie und das sind ja, es sind halt Menschen, die einfach Emotionen sehr, sehr stark wahrnehmen und das ist ja prinzipiell, also ich glaube, das kann super belastend sein, wie man an deiner Geschichte hört, wie wahrscheinlich auch dein Vater sich selbst manchmal auch ein bisschen belastend finden kann, wenn er seine Emotionen nicht so gut regulieren kann, aber das ist ja an sich auch was, wo ich denke, es sind eben einfach sehr sehr, sehr sensible Menschen, und das ist ja prinzipiell jetzt nicht unbedingt was total Furchtbares, also das zeigt ja nicht, ob jemand sympathisch ist oder nicht, sondern seine Handlung und sein Dasein und da würde ich nämlich gerne quasi als nächstes einsteigen, dieses Ding: Wo fängt die Krankheit an und wo hört sie auf, beziehungsweise in eurer Beziehungsgestaltung, das ist ja eben unser Thema, wie gehst du damit um, wenn er halt diese Momente hat, also ich fand jetzt eben auch dieses, also ich musste ein bisschen schmunzeln, fand es irgendwie süß und natürlich anstrengend zugleich, dieses Beispiel mit dem Monopoly, also da warst du natürlich zu klein, um das jetzt irgendwie bewusst anzugehen, aber wenn du an Situationen denkst, die du jetzt so mit ihm hast: Wie gehst du dann damit um, also hast du da so einen konkreten Weg für dich, dass du dann einfach sagst: Ne Papa ich diskutier da jetzt nicht mit dir drüber! Oder weiß ich nicht, also da gibt’s ja tausend Wege, damit umzugehen, kannst du aus der Ich-Perspektive dann besser ihm vermitteln, wie es dir damit geht, also gibt’s da was, wo du sagst, das ist dein Learning aus den letzten Jahren mit ihm?
Layla
22:29 – 23:01
Jein, würde ich sagen. Ich glaube, es ist so schwer, jetzt was aus der ganz jüngeren Vergangenheit zu nehmen. Einfach nur, weil ich gemerkt habe, dass so Gespräche, wenn ich jetzt aktiv sage, hey, du, können wir mal über dein Verhalten reden, oder hey, du, wie wollen wir diese Beziehung gestalten? Es eskaliert immer in Streit und Anschreien und sonst was. Du bist auch der einzige Mensch, mit dem ich so streite. Ich weiß nicht, was das über ihn oder mich aussagen soll, aber na ja. Genau, und wenn ich jetzt an die Vergangenheit denke, sind so Gespräche halt, sagen wir mal…
Layla
23:03 – 23:39
Stand 2023, wo ich gleich was dazu sagen will, Stand 2023 sind so Gespräche und auch so wirklich Streits selten passiert bis gar nicht. Und wir haben uns auch definitiv weniger angezickt. Und das heißt, ich dachte, wir wären so auf dem Weg der Besserung. Und dann kamen wir nach Griechenland in Urlaub. Und da ist auf einmal alles wieder hochgekocht, was halt sehr krass gezeigt hat, okay, diese Probleme sind halt immer noch da. Ich weiß, wir haben uns wegen einer ganz kleinen Sache in einem Restaurant gestritten. Ich glaube, ich hab ihm, um es ganz kurz zu fassen, ich hab ihm gesagt, hey du, ich würd das jetzt essen, sonst wird das nachher kalt und eklig.
Layla
23:41 – 24:07
Und dann meinte er so, dass du mir mal sagst, was ich machen soll. Und dann bin ich so, Hilfe, und hab mein Besteck fallen lassen. Dann ist er halt komplett so, ja, dass du jetzt komplett überreagierst, ein erwachsener Mensch würde das ja gar nicht machen. Und hat mich in diesem vollen Restaurant angeschrien. Also wirklich so eine ganze Kleinigkeit und er meinte so, kein anderer Mensch würde so mit mir umgehen, verhalte dich doch erwachsen. Ich so, ja, ich bin halt kein, weiß ich nicht, 50-jähriger Mann wie der Rest deiner Freunde oder Menschen, mit denen du abhängst.
Layla
24:07 – 24:43
Ich bin halt deine 17-jährige Tochter, das ist ein bisschen anders. Genau. Und das ist dann in alles Mögliche eskaliert, als wir dann wieder in unserem Hotel, Airbnb, was auch immer waren. Und das ist dann halt, was halt auch dann das Problem ist, dass er dann oft aus seiner Vergangenheit ausholt. Und halt oft dann anfängt einfach, sagen wir mal, seine eigenen traumatischen Erfahrungen, die in dem Moment aber halt nicht wirklich was mit der Gegebenheit zu tun haben, anfängt, wieder aufzulisten und zu sagen, ja, guck mal, wie schlecht es mir geht. Und ich denk mir dann immer so, okay, das hat seinen Platz und seinen Raum, und das ist absolut wichtig.
Layla
24:43 – 25:17
Vielleicht nicht den Raum, dass so intensiv mit … deiner Tochter zu besprechen, insbesondere nicht, weil es ja da nicht zum ersten Mal vorkam, dass auch definitiv schon so Gespräche gab, als ich so zehn war und halt absolut nicht hätte in der Lage sein sollen, solche Infos quasi direkt zu kriegen und mit ihm drüber reden zu sollen, als wäre ich seine Therapeutin. Aber genau, dann kocht es halt da mal hoch. Und ich will die Sachen dann auch ehrlich gesagt gar nicht hören, weil das hat ja absolut nichts mit dem Thema zu tun. Er fängt dann halt an, einem damit so ein bisschen ein schlechtes Gewissen zu machen, um zu sagen, ja, aber guck mal, wie schlecht es mir damals ging.
Layla
25:17 – 25:50
Du hättest dankbar sein sollen, dass nur das und das passiert ist. Was dann halt auch immer wieder hochkommt, ist, dass er sich so selber in dieser Krankheit quasi festfährt. Dass er dann oft halt sagt, ich will mich ändern, das muss zwischen uns geändert werden, ich will dich nicht verlieren, ich will, dass Kontakt zwischen uns ist. Wenn du dann aber auf ihn zugehst und dann sagst, ja hey, vielleicht Therapie, sagt er nein, weil er hat ja Borderline, das ist ja in ihm festgefahren, er kann nicht repariert werden. Dann sagt man, okay, was soll ich denn dann an meinem Verhalten ändern?
Layla
25:50 – 26:15
Nee, ich bin ja immer an allem schuld, bla, bla, bla. Was er teilweise macht, weil er sagt, du wirfst ihm das ja mal vor, ich bin ja immer an allem schuld. Aber teilweise, weil er das auch wirklich über sich denkt, wo es dann auch immer ein bisschen schwer ist, das einzuordnen, wie er gewisse Sachen jetzt meint. Aber genau, also es läuft halt immer auf solche Sachen zurück, statt auf so ein produktives Gespräch. Also ich hab jetzt sehr viel rumgefaselt.
Julia
26:15 – 26:54
Deswegen versuche ich quasi wieder ein bisschen darauf zurückzukommen, wie es dir damit geht, weil darum geht es ja im Endeffekt zu gucken, was das alles mit dir macht. Und ich finde es total krass reflektiert, muss ich ehrlich sagen, ich meine du bist 18, dass du dir so klar bist, dass da Verschiebungen stattfinden, die nicht sein sollten, dass du sagst, ich bin deine Tochter und nicht dein Kumpel irgendwie so, das finde ich also wirklich beeindruckend und sehr gesund auf jeden Fall und würde da eben gern nochmal so, reinhören, wie das für dich ist, wenn er dann so ist, wie reagierst du dann?
Julia
26:54 – 27:14
Also ne, dass du, also sagst du mittlerweile echt, ach komm Papa, lass ich liegen, ich hab jetzt keinen Bock mit dir zu diskutieren oder, also ne, weil irgendwie es macht ja was mit einem, wenn der eigene Vater irgendwie so ist und du sagst ja, ihr habt da so eine Streitkultur, die muss man vielleicht nur überdenken, aber ne, irgendwie musst du ja damit umgehen, das ist ja eben diese Beziehungsgestaltung von euch beiden.
Layla
27:15 – 27:39
Ich glaube, was halt auch das Ding ist, ist, dass er dann relativ schnell danach wieder Nähe sucht, im Sinne von, dass er es wieder gut machen will. Und das ist, was mich auch z.B. dann stört, dass er dann z.B. nicht respektieren kann, dass ich gerade keine Lust auf ihn habe und auch irgendwie gar nicht einsehen kann, dass ich dann vielleicht nicht wirklich mit ihm chillen will. Und er sagt dann so, dann kam er auch nach diesem Griechenland-Ding wieder an und meinte dann so, hey, willst du mir nicht noch eine Umarmung geben und wollen wir nicht zusammen essen?
Layla
27:39 – 28:08
Und ich so, ich habe gerade keine Lust auf dich. Und er so, ja, aber dann habe ich ja ein schlechtes Gewissen. Und ich so, und ich denke mir dann so, ist mir egal, dass du ein schlechtes Gewissen hast. So gemein das jetzt auch klingt. Weil ich denke mir so, entweder der schmollt dann irgendwie auf dem Bett und hat ein schlechtes Gewissen oder er hängt dann mit mir ab, ist dann für sich superglücklich, und ich sitze da und hab eine supermiserable Zeit, was ja auch irgendwie nicht ganz Sinn der Sache ist. Und kann das dann aber halt auch nicht ganz einsehen.
Layla
28:08 – 28:39
D.h. es ist sehr schwer, ihm dann zu sagen, hey, nee. Ist okay, ich reite jetzt nicht auf diesem Streit rum, aber können wir bitte einfach so 10 Minuten in anderen Zimmern haben? Das ist ihm dann auch oft zu doof, weil er dann selber wahrscheinlich zu sehr in seinem eigenen Kopf ist und zu sehr halt wirklich auch Schuldgefühle hat und sich halt wirklich schlecht fühlt. Und er möchte, glaube ich, für sich lieber so, okay, jetzt ist doch wieder alles gut, jetzt ist doch wieder alles gut und sucht da so fast schon ein bisschen panisch nach. Was halt für die andere Person dann auch so ein bisschen, das klingt alles so gemein, aber so irgendwie anstrengend auch ist.
Layla
28:42 – 29:13
Aber ich bin auch bei so Situationen ziemlich hin- und hergerissen. Es gab auch so wirklich einen Moment, wo in Hamburg waren wir 2019 oder so im Urlaub. Und dann kam er auch an, wir haben uns wegen irgendwas gezankt. Und dann kam er wirklich und hat geschmollt, hat seine Arme rübergekreuzt und ist wirklich so bockig, wirklich… Ich dachte mir so, oh mein Gott, das reicht mir wirklich. Ich seh den nach diesem Urlaub nicht noch mal. Das hab ich wirklich gedacht, das war natürlich in dem Moment. Natürlich war ich auch noch ein bisschen jünger, das ist auch schon 5 Jahre her oder so.
Layla
29:13 – 29:49
Da hab ich mir gedacht, nee, das reicht. 1 Stunde später saßen wir wieder gut gelaunt zusammen in einem Restaurant. Im Moment sehr sauer und denk mir, nee, okay, das war jetzt der Schlussstrich. Bin dann aber im Nachhinein dann nicht unbedingt verzeihend. Ich hab ihm für fast nichts verziehen, was auch ein ganz anderes Problem ist. Aber ich bin dann so ein, okay, ich hinterfrag mich dann so selber, bin ich grad unfair? Ach, war das denn jetzt wirklich so schlimm? Und ich fall dann immer wieder in dieses Muster von wegen, wenn dann dieser Streit kommt, wiederkommt, bin ich so, Ui, ja doch, es ist so schlimm.
Layla
29:49 – 29:56
Und dann ist der Streit wieder vorbei und bin ich so, aber war’s das jetzt wirklich? Oder so, ach komm, so, mh. Gleichzeitig.
Julia
29:56 – 29:58
Ich glaub, das ist aber auch so ein bisschen die Challenge, ne?
Julia
29:59 – 30:18
Also es ist natürlich auch so, deine Erfahrungen und alles. Also hatten wir ja auch ein Vorgespräch und das war ja in der Folge, die wir davor aufgenommen haben, eben auch Thema Kontaktabbruch. Also ab wann ist es schlimm genug, sozusagen, auch dann wirklich zu sagen, boah, ne, jetzt hab ich keinen Bock mehr. Irgendwie so, also. Kann ich sehr gut nachvollziehen, was du da erzählst, auf jeden Fall.
Layla
30:18 – 30:44
Es ist halt auch keine, was heißt, das ist ja jetzt nicht so was, was du mal eben mal machen kannst und dann sagst, oh nee, doch nicht, ist mir jetzt doch zu doof, das muss ja auch irgendwie, was heißt, wohl überlegt sein. Und jetzt, vielleicht klingt das so ein bisschen auch gemein, ich sag das ja oft, aber es ist natürlich auch, was heißt, ich find kein besseres Wort, aber nicht unpraktisch, aber man möchte ja auch, man hat ja mit 18 noch auch super viel, was du von deinen Eltern halt einfach brauchst, du brauchst ja einfach noch super viel Unterstützung.
Layla
30:44 – 31:18
D.h. wenn du jetzt so eine Hälfte davon einfach mit 18 schon so aus deinem Leben schneidest, schießt du dir quasi ein Eigentor. Und klar sollte jetzt nicht der einzige Grund sein, dass man jetzt mit seinen Eltern Kontakt hält, ist, dass man jetzt – keine Ahnung wie – Geld haben möchte. Aber klar gibt es ein Gefühl von Sicherheit, wenn man weiß, okay, da sind zwei Menschen, die sind quasi designiert dafür, dass ich auf sie zukommen kann. Und nicht, dass einer davon dann auf einmal plötzlich wegfällt, weil man dann sagt, nee, lieber doch nicht. Weil so schlimm ist es dann zwischen uns beiden ja auch nicht.
Layla
31:18 – 31:53
Man kann halt diesen Kontakt halt relativ minimal halten, was ja auch so ein bisschen dann die Jahre passiert ist. Ohne jemanden komplett aus seinem Leben zu schneiden. Und das Ding ist halt auch, ich halte halt immer noch irgendwie ein bisschen dran fest, dass ich irgendwann mal vielleicht eine Entschuldigung haben werde oder bekommen werde, eher gesagt, für das, was er halt gemacht hat. Weil seine Entschuldigungen sind halt immer, oh mein Gott, ich fühle mich schlecht, lass mich dich umarmen und ich mache das nie wieder. Und dann passiert es nächste Woche halt noch mal. Wo man klar sagen muss, wo zieht man die Grenze?
Layla
31:53 – 32:26
Da sind viele Konflikte, die einem entstehen. Okay, der hat das von seinen Eltern auch nicht besser gelernt, der hatte auch eine schwierige Kindheit. Aber heißt es dann, dass er das alles auf mich übertragen kann? Nein. Aber wo zieht man da die Grenze? Oder zum Beispiel auch so Borderline, das ist eine Erklärung für Verhalten, das ist keine Entschuldigung, aber wo fängt was an? Also da sind halt viele Sachen oder hier wie der Titel quasi, was heißt Titel, der Folge, aber so der Hauptaspekt ist so, wo… Wo hört der Mensch auf und wo fängt die Krankheit an?
Layla
32:26 – 32:57
Also wie viel kannst du auf ihn als … schlechte Person in Anführungsstrichen zurückführen? Und wie viel auf die Krankheit und wie viel Verständnis sollte man dann haben, ohne dass man komplett … unfair ihm gegenüber ist und ihm keine Chance gibt, sich zu bessern? Aber auch ohne, dass man sich quasi völlig selber zerstört, weil man dann die ganze Zeit sagt, nee, passt schon, einfach nur alles runterschluckt, ohne wirklich klar zu sagen, hey, nein, bis hier und nicht weiter.
Nele
32:57 – 33:38
Das ist auf jeden Fall kein gradliniger Weg. Also von dem, was du jetzt hier erzählst, wird dieses Verhältnis wahrscheinlich immer von sehr krassen Ups und Downs irgendwie begleitet sein. Es wird nie so gradlinig laufen und mit Sicherheit auch nochmal anders werden, wenn du dann auch nochmal ein Stück älter bist und so und vielleicht dann auch nochmal eigenständiger. Gibt es denn so für dich, falls man das jetzt so sagen kann, wirklich eine ganz persönliche Grenze, wo du sagst, okay, das wäre mir jetzt wirklich zu viel, also da kann ich dann auch echt nicht mehr mitgehen. Das würde für mich bedeuten, dass ich da jetzt erstmal wirklich auch eine Unterbrechung brauche, nenne ich das jetzt mal.
Layla
33:39 – 34:08
Ich glaube, es ist sehr schwer zu beantworten. Einfach nur, dass jedes Mal, wenn ich dachte, okay, das war jetzt absolut, das hat eine Grenze überschritten, wo ich mir denke, das kannst du einfach nicht machen, Punkt. Wie zum Beispiel dieses jetzt rausgeworfen werden, wo er dann auch wirklich ankam und meinte so, dass es meine Schuld war. Dafür hat er sich auch übrigens entschuldigt, obwohl es dann ein Jahr später als einen kleinen Fehler so, hey, tragt mir diesen kleinen Fehler nicht nach, deshalb macht mit den Infos, was ihr wollt. Aber so, es kam theoretisch eine Entschuldigung dafür.
Layla
34:10 – 34:49
Meinte er so, ja, okay, dann kann ich mich jetzt auch einfach umbringen gehen, wenn du mich eh nicht mehr magst. Eigentlich war es ja auch deine Schuld, dass das Ganze hier passiert ist. Und einfach wirklich alles ausgepackt hat, wo auch meine Mutter tatsächlich das erste und einzige Mal ihn wirklich… Ich bin dann weinend mit dem Telefon zu ihr gekommen. Ich glaube, die hat den für eine halbe Stunde oder so einfach angeschrien. Was meine Mutter ist, will immer Frieden bewahren, ist der seelenruhigste, eigentlich liebste Mensch auf Erden. Aber wenn sie dann anfängt, also wenn sie dann schon sieht, so okay, nein, bis hier und nicht weiter, das wäre eigentlich der Moment gewesen, wo wahrscheinlich viele gesagt hätten oder auch wahrscheinlich viele Mütter gesagt hätten, nein, bis hier und nicht weiter.
Layla
34:49 – 35:22
Und jetzt sind wir hier. Über 5 Jahre später und wir sind immer noch in Kontakt. D.h. es gibt bestimmt Momente, wo ich mir jetzt sage, okay, wenn jetzt noch mal so ein Rauswurf kommen würde, dann würde ich sagen, nee, reicht. Aber… Ich kenne unsere Geschichte und es gab halt viele solche Momente, wo ich gesagt habe, oder auch Hamburg, wo ich dieses Teil… Ich dachte mir so, nee, ich fahre nie wieder mit dem im Urlaub. Nein, ich möchte immer einen Ausweg haben. Oder auch dann wieder Griechenland, wo ich quasi diese jahrelange Hoffnung hatte, okay, es bessert sich, es bessert sich.
Layla
35:22 – 35:39
Und dann ist es wieder hochgekocht. Und ich dachte mir so, okay, nee, diese Beziehung ist verloren. Und jetzt sind wir wieder in Kontakt. Also ich glaube, es ist halt einfach super schwer, so ein Ende zu setzen, weil jedes Mal, wo ich bisher dachte, jetzt wurde eine Grenze überschritten, waren wir danach halt mehr oder weniger trotzdem noch in Kontakt.
Julia
35:40 – 36:08
Aber ich finde es, wie gesagt, wirklich ganz krass, dass du da aber immerhin so weit bist und ihm das klar kommunizierst. Also, weil ich meine, wir kennen ja aus unserer Arbeit einfach sehr, sehr viele solcher Geschichten, auch von sehr jungen Leuten. Und eine große Challenge ist halt überhaupt das kommunizieren können. Also, ich muss sagen, mit meinem erkrankten Elternteil geht das gar nicht. Also, ich kann nicht auf diese Person da zugehen und mit ihr darüber sprechen. Und das, finde ich, ist erst mal super mutig, weil dein Vater ja, soweit ich es verstehe, jetzt auch nicht gerade der Einfachste ist.
Julia
36:08 – 37:34
Und zweitens ist es aber ja trotzdem auch, also finde ich eine wahnsinnig große Leistung in deinem Alter, das so klar zu machen, weil ich auch diesen Punkt so wichtig finde, den du eben einmal angesprochen hast mit der auch finanziellen Abhängigkeit. Also du bist einfach in deinem Alter, anders abhängig von deinen Eltern als wir jetzt mit 30 irgendwie. Also wir verdienen unser Geld, wir kommen irgendwie klar, aber ich weiß noch zum Beispiel bei mir waren das so Themen, die vielleicht auch noch auf dich zukommen: Bafög beantragen also sowas zum Beispiel, dass da ja immer, Du musst diesen Kontakt ja irgendwie haben, du musst Dinge nachweisen, du musst mit Leuten darüber sprechen irgendwie und allein sowas, also deine Mutter wird ja auch hoffentlich irgendwie Unterhalt von ihm kriegen können, beziehungsweise das zumindest mit ihm klären können und man will ja auch nicht mit dem eigenen Elternteil wegen sowas vor Gericht landen oder was weiß ich, also du musst jetzt überhaupt nicht darauf hinauslaufen, aber das finde ich, also da gebe ich dir total recht, dass das ja in der Beziehungsgestaltung nochmal ein anderer Punkt ist, der vielleicht anders zu betrachten ist, wenn man älter ist, wenn man halt in einer anderen Situation ist, wenn man eine eigene Unabhängigkeit entwickelt hat irgendwie. Und ich denke das ist, also einmal natürlich in jungen Jahren, ist man irgendwie auch emotional angewiesen auf die eigenen Eltern, aber natürlich auch aus dem reinen Überlebensaspekt sozusagen.
Julia
37:34 – 37:46
Also du kannst jetzt einfach noch keinen Vollzeitjob suchen, das geht einfach nicht. Das heißt du musst irgendwie von anderen finanziert werden. Das fand ich einen ganz, ganz interessanten Punkt eben, den du da genannt hast.
Layla
37:48 – 38:18
Aber diese Art, wie ich damit umgehe oder wie diese Gespräche sich entwickelt, hat sich auch mit der Zeit quasi mit mir entwickelt. Wo ich am Anfang, ich glaube, ich bin, bin ich ehrlich, so immer, ich bin immer direkter quasi geworden. So am Anfang war ich, glaube ich, noch sehr, sehr was heißt schüchtern, ja, okay, dann, wie machen wir das denn so? Wie machen wir das denn so? Und das war jetzt teilweise so, das weiß ich nicht. Ich bin schlecht im Alter raten, wie alt ich damals war, so 13, 14. Was das Problem an meinem Vater ist, dass selbst, wenn du so auf ihn zugehst, macht er halt zu.
Layla
38:18 – 38:53
Wenn du dann sagst, okay, was willst du denn an mir ändern? Wenn du jetzt sagen könntest, okay, das machst du jetzt nicht mehr, dann mach ich das nicht mehr. Nee, weil das ist ja jetzt alles meine Schuld. Und dann ist zu. Oder auch so ein, hey, vielleicht hol dir mal Hilfe und alles. Wo er mir dann auch mal geschrieben hat, ja, du warst halt so reif für dein Alter, vielleicht hol ich mir jetzt mal Therapie, blablabla, wo ich mir denke, ja, rate mal, warum ich so reif für mein Alter bin, aber… Und wo er dann vielleicht auch mal gesagt hat, hey, ich hol mir einen Therapeuten oder eine Therapeutin, ist dann halt auch nie passiert, weil das halt wahrscheinlich eher so ein… leeres Versprechen war,
Layla
38:55 – 39:32
…damit ich in dem Moment halt einfach mal aufhöre, ihn quasi die ganze Zeit zu konfrontieren. Aber mittlerweile ist es im Punkt jetzt mit dem Griechenland-Urlaub letztes Jahr zum Beispiel, wo ich ganz klar eben auch Sachen vorgeklatscht habe und vielleicht auch nicht ganz so charmant formuliert habe, weil ich halt einfach so ein bisschen auf gut Deutsch gesagt, die Schnauze voll hatte. Ich hab ihm dann auch schon Sachen gesagt, die tendenziell nicht so unnötig verletzend waren. Ich hab ihn nicht auf was beleidigt, was nichts mit dem Streitthema zu tun hatte. Aber ich hab dann schon vor ein paar Jahren auch gesagt, du warst ein schlechter Vater, Punkt.
Layla
39:32 – 40:03
Und ich hab ihm das so gesagt. So Momente kamen halt immer häufiger mit der Zeit, weil es mir, glaube ich, auch irgendwann, was ich jetzt auch selber einsehe, dass es halt ein bisschen unreif war, aber gleichzeitig war ich vielleicht auch so 15, 16, dass ich halt einfach keine Lust hatte und einfach sauer war. Und dass so ein bisschen so eine Trotzphase eingetreten war. Und ich war so, okay, wenn du das jetzt machst, mache ich das auch. Und hab halt auch angefangen auszuholen und einfach nicht zu beleidigen, wie gesagt. Also die Sachen, die ich gesagt habe, waren ja alle irgendwo in der Realität begründet.
Layla
40:04 – 40:37
Aber sie definitiv, sagen wir mal, unfreundlicher und so unverständnisvoller ausgedrückt habe. Oder deutlich so plakativer, als sie hätten sein müssen. Also bin ich ganz ehrlich mit, das kam aber halt auch als Reaktion auf so ein gefühltes jahrelange nicht gehört werden, wo das Problem halt auch ist, wenn du halt dann so mit ihm redest, das ist ja dann der Grund auch gewesen, warum meine Mama ihn dann irgendwann angeschrien hat, war halt, weil er dir dann einfach nicht zuhört. Wenn du dann immer wieder versuchst, auf ihn loszugehen, irgendwann hast du das Gefühl, du musst ihm das halt einfach ins Gesicht klatschen, weil sonst wird das nix.
Julia
40:39 – 41:10
Wie gesagt, ich finde das total klasse, also ich glaube, da können einige auch noch sogar was von lernen, dass man sich da auch, nur weil jemand erkrankt ist, muss man sich da nicht immer zurückhalten, sondern irgendwann darf einem auch gerechtfertigt, finde ich, die Hutschnur platzen, also was du alles erzählt hast jetzt, also ich finde man hört trotzdem raus auch, dass du ein liebevolles Verhältnis irgendwo auch zu deinem Vater hast, also dass ihr euch auch lieb habt, was ja sehr schön ist. Aber dass ich denke, naja, bei all dem, was du gerade erzählt hast, da darf man auch irgendwann mal sagen, Papa, du bist auch einfach manchmal echt scheiße.Julia
41:10 – 41:35
Also wirklich auf gut Deutsch gesagt. Also ich finde, da kann man auch so ehrlich sein, weil ich glaube, das, was du so erzählst, hat er dir ja nicht unbedingt immer viel nettere Sachen an den Kopf geklatscht. Von daher darf dann vielleicht auch irgendwann die Retoure kommen, auch in dieser Form der Kommunikation. Manche, also bei deinem Vater scheint es jetzt nicht gezogen zu haben, aber manchmal hilft das ja sogar. Dass die andere Person dann einfach auch mal mitkriegt, oh, was ich hier mache, geht wirklich zu weit.
Layla
41:37 – 42:17
Ich glaube, bei ihm fördert das vor allem dieses „schlechtes Gewissen haben“, was halt auch wieder dann so ein Problem für mich wird. Aber ein Problem für die Menschen, die dann halt mit ihm quasi reden. Da redet er manchmal auch mit meiner Mama drüber, dass er meinte, dass er teilweise so befürchtet, dass ich ihn nicht so sehr mag wie sie jetzt zum Beispiel. Oder was jetzt zum Beispiel auch das Problem war, dass wenn du älter wirst, dass du dich von deinen Eltern loslöst. Da hat sich z.B. auch gezeigt, dass er super dran geklammert hat und super Angst hatte, dass das jetzt quasi das endgültige Aus ist, dass ich so gar keine Lust mehr auf ihn habe und sich das irgendwann so weit distanziert, dass wir keinen Kontakt haben.
Layla
42:17 – 42:45
Also ihm ist der Kontakt mit mir schon wichtig. Und wie bereits gesagt, er hat mich auch superlieb. Es gibt superviele so… Kleinigkeiten, die er halt einfach macht. Also z.B. jeden Abend eigentlich, wenn ich bei ihm bin, was ehrlich gesagt mittlerweile auch wieder gesagt relativ selten ist, also alle paar Wochen vielleicht mal selbst jetzt in den Ferien. Klar, ich war viel unterwegs. Und dann kommt da immer so ein kleines Klopfen an der Tür, machst die Tür auf und dann ist da so ein kleiner Teller Essen. Oder z.B. es gab einen viel früheren Bus, als ich am Reisen war.
Layla
42:45 – 43:31
Dann hat er mir den Bus bezahlt, meinte, mach dir keine Sorgen. Er zeigt schon durch so kleine Aktionen, dass er mir nicht eins auswischen will. Sogar ganz im Gegenteil, mich absolut lieb hat. Ich glaube ihm, selbst in diesen Streitmomenten, wenn er weinend bei mir vorm Stuhl gehockt hat und gesagt hat, ich will, dass das zwischen uns funktioniert, ich glaube dem, 100 Prozent, dass er das absolut ernst meint. Ändert halt nicht unser schwieriges Verhältnis oder meine komplizierten Emotionen. Aber es macht es halt umso schwerer, zu sagen, hey ne , du bist jetzt weg. Wenn ich aktiven Beweis dafür hätte, wenn mir jetzt aktiv sagen würde, ja, ich mach das alles nur, um dir jetzt auszuwischen, dann könntest du sagen, klar, okay, du bist einfach ein schlechter Mensch, raus, weg.
Layla
43:31 – 43:52
Und das macht es ja genauso kompliziert, dass das halt eben nicht der Fall ist, nicht unbedingt ein schlechter Mensch ist, sondern einfach viele falsche und schlechte Verhaltensweisen hat, aber im Kern halt immer noch was da ist, was halt sich auch drüber bewusst ist und was sich halt auch irgendwie ändern will, selbst wenn er halt nicht ganz dazu in der Lage ist, das zu machen.
Nele
43:52 – 44:28
Also ich bin komplett geflasht. Ich weiß gar nicht, was ich gerade noch sagen soll. Ich hatte die ganze Zeit, als du gerade gesprochen hast, noch irgendwie so Ansatzpunkte. Das würde ich sie gleich gerne nochmal fragen. Aber du hast das eigentlich alles jetzt schon so gut ja abgerundet alles irgendwie erzählt, ich finde, das ist auch wieder mal ein Beispiel dafür, wie mutmachend das sein kann jetzt vielleicht auch wenn andere sich diese Geschichte anhören und eben sehen, das ist ein Verhältnis, das kann bestehen, man kann die Beziehung halten zu jemandem, der an Borderline erkrankt ist. Das ist nicht einfach, das ist aber möglich.
Nele
44:28 – 45:11
Und man muss sich zwischendurch rausziehen können und diese eigenen Grenzen haben. Was nicht bedeutet, dass die andere Person diese Grenzen dann immer akzeptieren möchte und das so einsieht. Aber ich finde, das wirkt bei dir wirklich so, als wärst du da sehr standhaft. Das fällt dir vielleicht nicht immer leicht, aber du weißt, ich brauche das jetzt, ich brauche jetzt hier meinen Abstand. Und du forderst das ein. Und ich denke, das ist kein einfacher Weg, da hinzukommen. Mit Sicherheit geht es einem auch nicht immer so supergut damit, wenn man die andere Person dann auch mal zurückweist, aber ich finde im Großen und Ganzen klingt das nach einem sehr lange erlernten Umgang, mit dem sich das auch ganz, ja so, ich sag mal ganz gut, ganz gut leben lässt jetzt gerade noch zumindest.
Nele
45:11 – 45:20
Wer weiß, wie das irgendwann anders mal sein wird, aberjJa, du hast, finde ich, wirklich gut diese Komplexität beleuchtet, die damit einhergeht.
Nele
45:21 – 45:35
Was es eben bedeutet, dann trotzdem auch diesen Kontakt zu haben. Dafür zahlt man einen Preis, es ist nicht immer leicht, aber in vielen Teilen lohnt es sich natürlich auch schon, gerade weil ihr ja eigentlich auch euch nahesteht und euch lieb habt.
Julia
45:35 – 46:13
Und das finde ich wirklich ganz spannend und auch ganz wichtig, dass du das auch so formuliert hast. Also so, er ist superschwierig, aber es ist eben nicht nur die eine Seite, sondern also ich finde, wie gesagt, das hört sich auch trotz allem nach einem zwar sehr abenteuerlichen Verhältnis an. Also wie gesagt, ich finde diese Monopoly-Geschichte auch noch immer, darüber könnte man, glaube ich, ein Buch schreiben. Und gleichzeitig eben dieses liebevolle, was er auch mitbringt und dass ihr euch da beide immer wieder versucht zusammenzureißen irgendwie und sich aufzuraffen und doch wieder trotz all dieser Punkte irgendwie in Kontakt zu gehen, in Streitereien zu gehen.
Julia
46:13 – 46:49
Also manchmal ist ja auch, so anstrengend Streitigkeiten sind, ist das ja manchmal auch der Beweis, wie viel Emotion und wie viel Liebe auch dahinterstecken kann. Und das heißt nicht, dass man alles aushalten muss, um Himmels Willen. Aber ich glaube, also wie gesagt, ich finde, du hast das wirklich diese ganze Komplexität sehr, sehr, sehr gut dargestellt, gerade eben an einem sehr jungen Beispiel. Also um das, wie gesagt, nochmal zu betonen, dass ich halt einfach denke, wenn ich 50 bin und keinen Bock mehr auf meine Eltern habe, dann ist das eine andere Entscheidung, als wenn ich 18 bin, beziehungsweise in deinem Fall ja die letzten Jahre noch viel jünger. Ja, also.
Nele
46:49 – 47:12
Genau, ich würde dich jetzt nochmal eine Sache fragen, Layla, und zwar gibt es etwas, was du, ich sag mal so, du hast ja jetzt schon sehr viel zu dem Thema gesagt, was du jetzt Menschen, die das jetzt hören, die sich da vielleicht zum Teil darin wiederfinden können oder die auch einfach nur interessiert sind an dem Thema, was du denen so mitgeben könntest?
Layla
47:13 – 47:25
Ich glaube, zusammenfassend ist es halt einfach nur Versuch, Verständnis für Menschen zu zeigen. Aber respektiere dich gleichzeitig auch genug selbst, um zu sagen, hey, genug ist genug.
Julia
47:27 – 47:30
Mega Message.
Nele
47:30 – 47:37
Mehr muss das auch gar nicht sein. Du hast das echt schon so gut umrissen. Hast du denn noch was, Layla, was du uns noch erzählen möchtest?
Layla
47:37 – 48:05
Also eine Sache, die definitiv bei mir noch eine Schwierigkeit ist, was mit diesem Beziehung aufrechterhalten ist, ist halt, wie arbeitet man Vergangenes mit so einem Menschen auf? Im Sinne von jedes Mal, wenn man ja so was, hey, das war damals nicht in Ordnung, hey, das ging nicht. Wenn man es halt dann in dem Moment anspricht, dann ist das halt viel zu aufgeladen. Aber wenn man zu lange wartet, wie z.B. wenn ich jetzt dieses Rausschmeißen mit 13, jetzt mit 18 anspreche, wäre es halt wieder ein, du holst Sachen aus der Vergangenheit auf.
Layla
48:05 – 48:48
Und irgendwie muss man halt damit abschließen, dass man wahrscheinlich keine Entschuldigung kriegt, obwohl man definitiv eine will. Man muss sich halt sagen, okay, kann und will ich diesen Menschen jetzt dafür verzeihen? obwohl er sich nie entschuldigt hat, um diese Beziehung zu retten? Oder sage ich, nee, ich halte dem das jetzt so lange nach, was halt auch nicht irgendwo, das ist verständlich, ich halte dem das jetzt nach, einfach nur, weil ich noch so verletzt bin von damals, kann ich mir diese Beziehung gar nicht, kann ich mir die gar nicht weiter vorstellen. Und dieser Konflikt zwischen halt Vergangenes loslassen und aber trotzdem eine Entschuldigung einfordern wollen. Das ist, glaube ich, mein Hauptproblem.
Layla
48:48 – 49:23
Weil ich bin ehrlich, ich bin leider nicht wie meine Mutter, ich kann nicht Leuten verzeihen. Selbst wenn es für mich selber ist. Wenn ich mir selber für was nicht verzeihen würde, dann würde ich das anderen auch nicht verzeihen, wenn sie nicht mehr aktiv eine gute Entschuldigung dafür gegeben haben. Meine Mutter hat auch nicht immer alles richtig gemacht. Meine Mutter und ich haben auch öfters mal gezankt oder so was. Aber das konnten wir halt immer ziemlich erwachsen klären. Und deshalb halte ich ihr das halt nicht mehr nach. Wenn aber diese Veränderung halt fehlt, muss man halt gucken, was man damit macht.
Julia
49:23 – 50:05
Finde ich noch mal einen ganz, ganz wichtigen Punkt zum Ende. Dann würde ich sagen, danke dir, Layla. Das war wirklich ein wieder super bereicherndes Gespräch. Und ganz, finde ich, noch immer irgendwo aufregende, lustige, sprachlos machende, liebevolle Geschichte, die du uns erzählt hast über dich und deinen Papa. Und ja, wir wünschen dir natürlich erstmal alles Gute und dass das mit ihm vielleicht irgendwann doch ein bisschen einfacher werden könnte. Oder dass du für dich auf jeden Fall da immer den richtigen Weg einschlägst. Das war UNERHÖRT NAH, der Podcast für Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Dies ist ein Projekt des BApK mit Unterstützung der Barmer Krankenkasse.
Julia
50:05 – 50:10
Hört nächstes Mal wieder rein, wenn wir mit Menschen sprechen, die verdammt nah dran sind.