Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Podigee. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenLucia koordiniert die Regionalgruppe „Verrückt Na Und?!“ Köln und setzt sich seit Jahren in ihrer Profession als Sozialarbeiterin für Menschen mit psychischen Erkrankungen ein.
Sie ist Angehörige und möchte nicht, dass man die erkrankten Menschen in ihrer Familie erkennen kann!
Eigentlich wollten wir mit Lucia über die Kommunikation mit psychisch erkrankten Menschen sprechen. Aber im Vorgespräch zeigte sich, dass es Lucia gar nicht so leicht fällt über ihre Angehörigkeit zu reden. Sie hatte Sorge, dass sie jemandem damit Schaden könnte, wenn sie darüber spricht. Gleichzeitig ist es ihr wichtig, das Tabu zu brechen und offen damit umzugehen. Also dachten wir uns: Reden wir doch genau darüber! Denn es ist nicht nur die eigene Geschichte als Angehörige, sondern auch immer ein Teil der Geschichte der betroffenen Person: Wie kann man über die eigene Geschichte reden, wenn es auch die von jemand anderem ist? Was ist, wenn man nach der betroffenen Person gefragt wird? Wo übertritt man Grenzen? Und warum ist es trotzdem wichtig zu sprechen?
Weiter unten findest Du einen Themenüberblick (inkl. Zeitstempel) und das Transkript der Folge.
Weiterführende Links:
Webseite des Verrückt Na Und?!
www.irrsinnig-menschlich.de
How-To “Als Angehörige in der Öffentlichkeit sprechen”
www.bapk.de
Instagram:
@familienselbsthilfe_
@peer4u_chat_beratung
@locating.your.soul
Falls du direkt zu einem Thema in der Folge springen möchtest:
03:39
Lucia teilt ihre Erfahrungen und Gedanken darüber, wie es ist, in der Öffentlichkeit über psychische Erkrankungen zu sprechen, und die emotionalen Herausforderungen, die damit verbunden sind.
15:01
Diskussion über die innere Zerrissenheit, die Angehörige empfinden, wenn sie über psychische Erkrankungen sprechen. Lucia beschreibt den Konflikt zwischen dem Wunsch, das Thema zu enttabuisieren, und der Angst, die erkrankte Person zu verletzen.
38:57
Diskussion über die Erwartungen, die Angehörige an sich selbst und andere haben, und die Notwendigkeit, offen über die eigenen Gefühle zu sprechen.
Lucia äußert den Wunsch nach offener Kommunikation über psychische Erkrankungen und die Bedeutung des Austauschs, um Stigmatisierung abzubauen.
Transkript der Folge
Nele
00:01 – 01:07
Herzlich willkommen bei „Unerhört nah“, dem Podcast des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Wir, das sind einmal ich, Nele
Julia
und ich, Julia
sprechen offen mit verschiedenen Gäst:innen über die Erfahrungen und Herausforderungen von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Erlebt mit uns, was es heißt, „Unerhört nah“ dran zu sein. Ja, hallo liebe Zuhörende. Wir sprechen heute über das Thema Öffentlichkeit und nehmen dabei insbesondere Bezug auf den Tabubruch. Tabus in Bezug auf Schweigen und Reden über eine Geschichte, die nicht nur die eigene ist, weil wenn es psychische Erkrankungen geht, sind natürlich auch in den meisten Fällen nahestehende Angehörige involviert, die auch unter diesem Thema leiden mitunter und ganz oft auch nicht darüber sprechen können, weil dieses Thema immer noch sehr stigmatisiert und tabuisiert ist. Und genau das machen wir heute zum Thema.
Julia
01:08 – 01:47
Genau, ich steige dann mal ein mit der Vorstellung unserer Gästin. Und zwar ist das Lucia. Lucia und ich kennen uns mittlerweile seit 2 oder 3 Jahren, haben wir eben schon festgestellt, aus dem ehrenamtlichen Bereich, auch aus dem gemeinde-psychiatrischen Bereich. Ich hatte Lucia für den Podcast relativ spontan angefragt, sogar erst vor ein paar Wochen. Und dann sind wir irgendwie über Hölzchen und Stöckchen und so weiter auf dieses Thema gekommen. Würde deswegen einfach direkt mal an Lucia übergeben, dass du mal erzählst, wer du bist. Und natürlich auch erstmal ein herzlich willkommen von unserer Seite. Ich glaube, das habe ich vergessen.
Lucia
01:48 – 02:27
Vielen Dank für die Einladung. Ich habe mich auf jeden Fall sehr gefreut. Ich finde, das ist ein sehr spannendes Projekt und bin jetzt auch mal gespannt auf meinen ersten Podcast mit euch. Ich bin Lucia, ich bin 24, mache gerade meinen Master in Sozialer Arbeit und arbeite nebenbei als Projektkoordinatorin für ein Projekt, was Aufklärung über psychische Gesundheit an Schulen macht. Ich bin ja heute als Angehörige hier, das heißt, ich starte auch mal direkt rein und erzähle ein bisschen was zu meiner Familie. Genau, ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen, einem Jüngeren, einem Älteren, also das sogenannte Sandwich-Kind.
Lucia
02:29 – 03:14
Ich bin in einem schönen Haus in einer Großstadt aufgewachsen. Wirklich, muss ich sagen, sehr schöne Erinnerungen an die Zeit. Wir haben super viel unternommen. Wir hatten immer ein sehr enges Verhältnis, also ich und meine Brüder, und auch zu meinen Eltern, die beide recht jung sind. Wir sind eine junge Familie, die auch vom Alter her sehr nah aneinander ist. Ich habe zu allen ein sehr enges Verhältnis. Wir haben oft Familienausflüge gemacht. Meine Familie hat immer super viel Wert draufgelegt, dass wir so aufwachsen, dass Familie im Mittelpunkt steht. D.h. auch nachdem ich ausgezogen bin, gab es immer noch das Sonntagsfrühstück.
Lucia
03:15 – 03:57
Es gibt immer noch gemeinsame Urlaube mit allen. Genau, und ja, dann habe ich so überlegt, was uns irgendwie so am meisten verbindet, weil ja doch, wenn man erwachsen wird, sich das Leben so ein bisschen auseinanderentwickelt von den Interessen her und so. Und habe gedacht, okay, irgendwie so das, was uns am meisten verbindet, ist absolut der Humor. Also wir haben absolut denselben Humor. Alles, was kommuniziert wird, wird irgendwie sarkastisch kommuniziert und das genau schweißt uns irgendwie so zusammen und ist auch so ein bisschen die Sprache der Liebe in unserer Familie, also einfach ganz viel über Humor.
Julia
03:57 – 04:02
Ja, das kenne ich sehr, sehr gut. Finde ich auf jeden Fall schon mal sehr sympathisch.
Lucia
04:03 – 04:53
Um jetzt mal zum Thema überzuleiten: Genau, ich habe ja erzählt, es war immer ein sehr schönes Verhältnis, ein sehr enges Verhältnis, was ich zu meiner Familie hatte. Und psychische Gesundheit hatte in meiner Familie eigentlich nie so eine supergroße Rolle gespielt. Oder beziehungsweise gar keine Rolle. Ich wusste ehrlich gesagt nicht viel über psychische Gesundheit. Auch grade, als ich mit 18 das erste Mal in den Bereich reingeschnuppert habe und mich auch für meinen Beruf entschieden habe, waren das irgendwie eigene Interessen. Das war nichts, wo sich meine Familie sonderlich mit verbunden gefühlt hat. Und genau, das Ganze hat sich dann vor vier Jahren verändert, als eine Person aus meiner Familie sehr schwer psychisch erkrankt ist.
Lucia
04:53 – 05:28
Und auf einmal war das Thema psychische Erkrankung ein sehr, sehr großes Thema in meiner Familie. Und genau, darum sitze ich jetzt hier. Ich möchte ein bisschen mit euch darüber sprechen, was psychische Erkrankungen in der Familie für Auswirkungen hat. Wie ich auch darüber sprechen kann. Das ist mein erstes Mal, dass ich jetzt in der Öffentlichkeit so darüber spreche. Oder auch, wo die Grenzen sind. Ich glaube, das ist jetzt das, wo wir so ein bisschen drüber ins Gespräch kommen wollen.
Julia
05:30 – 06:04
Erstmal kann ich wirklich nur sagen danke, dass du das das allererste Mal mit uns teilst. Also es ist wirklich, glaube ich, eine Riesen-Ehre irgendwie, dass du eben niemand bist, der das schon 20, 30 Mal gemacht hat, sondern das allererste Mal. Und das ist, glaube ich, wirklich, also gibt mir und Nele gerade so einen Stolzstempel, dass wir das machen dürfen mit dir. Also wirklich großes Dankeschön. Du hast ja jetzt schon einiges über deine Geschichte erzählt und wie es quasi vorher war, ne? Und jetzt geht’s ja quasi vor allem das Nachher. Also, wie bewegt sich jetzt dieses Gefüge mit der Erkrankung?
Julia
06:05 – 06:53
Wir hatten ja ein Vorgespräch. Auf das gehe ich auch manchmal in dem Gespräch ein. Wir haben im Vorgespräch festgestellt, es betrifft eben dieses ganze Gefüge. Es betrifft nicht nur dich und die erkrankte Person, sondern es betrifft alle anderen auch. Alle, die nicht erkrankt sind, die aber trotzdem in diesem familiären Gefüge sind, sind da irgendwie Teil von. Ich fand diesen Punkt ganz interessant, dass ich dich angefragt hatte. Du warst direkt Feuer und Flamme, das fand ich sehr schön. Dann hattest du das eben Familienmitgliedern erzählt. Dann kam so ein bisschen die Bremse. Dann kam halt so ein bisschen, ah, könnte es nicht sein, dass du der kranken Person zum Beispiel Chancen damit verbaust.
Julia
06:53 – 07:26
Das wäre so der Punkt, auf den ich gerne, oder auf den wir als Erstes eingehen wollen, wie sich das für dich angefühlt hat, ob du da mitgegangen bist innerlich oder ob du dir vielleicht eher denkst, nee, sehe ich gar nicht so. Hast du da überhaupt die Verantwortung für vielleicht auch? Wie stehst du zu diesem Punkt? Weil das Interessante war ja, dass du ja von dir aus jetzt nicht direkt darauf gekommen bist, sondern dass das ja jemand von außen gesagt hat.
Lucia
07:26 – 08:06
Ja, also genau, ich kann ja die Vorgeschichte mal so ein bisschen aus meiner Perspektive erzählen. Genau, die Anfrage kam und ich war im Urlaub. Ich habe mich total gefreut, ich fand das super spannend, ein Podcast zu dem Thema. Genau, habe irgendwie gedacht, okay, das ist auch irgendwie mein Wunsch damit an die Öffentlichkeit zu gehen und ich finde das super wichtig, dass auch wir als Angehörige gesehen werden und zu Wort kommen dürfen. Ich hab aber schon in so einem Moment auch selbst gedacht, wie mach ich’s am besten? Also wird das ohne Weiteres gehen? Auch gerade, weil dieses Thema auch superemotional manchmal ist.
Lucia
08:06 – 09:02
Eine psychische Erkrankung verläuft in Episoden. D.h. Je nachdem, wie es der erkrankten Person gerade geht, geht es mir mit dem Thema auch. Und genau, dann wusste ich auch da schon nicht, wie wird es in der Zeit sein, wo wir den Podcast aufnehmen. Bin ich da überhaupt in der Lage, darüber zu sprechen? Da hatte ich schon ein bisschen Bedenken. Und auch irgendwie war für mich schon klar, ich möchte es in der Familie auch ansprechen, dass wir den Podcast machen. Und hab das dann auch getan. Irgendwie hab ich ganz euphorisch davon gesprochen, auch irgendwie so, das direkt ins positive Licht zu rücken und erstmal waren die Reaktionen auch super positiv und dann dachte ich okay super, let’s go! Und dann kam dann aber doch irgendwie eine Nachricht, wo es dann hieß, ich weiß nicht, es könnte irgendwie vielleicht auch negative Konsequenzen für die erkrankte Person haben.
Lucia
09:03 – 09:42
Und zum Beispiel ihren Blick auf Arbeit. Und ja, dass ich mir das noch mal überlegen soll und vielleicht nicht darüber sprechen soll, welche Person genau erkrankt ist. Und genau, dann war ich erst mal so ein bisschen: Ja, ich hab die Nachricht gelesen und war dann so ein bisschen Okay, schade irgendwie, aber auch nachvollziehbar. Das waren jetzt keine neuen Gedanken. Ich lebe jetzt mit dem Thema seit 4 Jahren. Man hat irgendwie mal alle Gedanken so im Kopf gehabt und das war eben auch eins davon. Also welche Konsequenzen hat das Reden über eine psychische Erkrankung in der Familie?
Lucia
09:42 – 10:23
Und ich hatte auch Situationen, wo ich darüber gesprochen habe und auch im Nachhinein dachte, hätte ich es lieber nicht erzählt. Deswegen konnte ich das total nachvollziehen, die Bedenken und die Sorgen. Ich habe mich dann dazu entschieden mitzumachen, aber nicht genau zu erwähnen, welche Person erkrankt ist. Einfach aus Gründen des Schutzes, das ist halt leider so. Das macht mich irgendwie auch ein bisschen wütend, dass das so ist, dass man nicht einfach darüber sprechen kann, weil das Thema einfach so tabuisiert ist und stigmatisiert ist, dass man nicht einfach so ganz zwanglos darüber sprechen kann.
Julia
10:24 – 11:14
Da würde ich ergänzend sagen, das hattest du ja auch zugesagt, dass wir sagen können, um welche Diagnose es geht. Es geht um die paranoide Schizophrenie. Wir hatten im Vorgespräch gemeinsam mit Nele festgestellt, dass wir niemandem in Abrede stellen wollen, der eine schwere Depression in der Familie hat. Aber dass paranoide Schizophrenie direkt gewisse Bilder mit sich bringt, die natürlich auch durch Medien gefördert werden. Und dass es das natürlich nicht besser macht, wenn man sagt, mein Bruder, meine Schwester, mein Elternteil, meine Tante ist an paranoider Schizophrenie erkrankt. Das ist einfach immer, glaube ich, erst mal sehr abschreckend. Und, wie gesagt, wir wollen gar nicht sagen, dass das bei Depressionen anders verlaufen würde.
Julia
11:14 – 11:27
Jeder Mensch, der im Umfeld schwere Depressionen oder mittelschwere Depressionen hat, der dürfte das natürlich auch anonymisiert machen. Aber wir glauben, dass das Krankheitsbild da noch mal extra beiträgt.
Lucia
11:28 – 12:12
Im Zweifelsfall ist es tatsächlich auch so, dass wenn ich jetzt auch detailliert über die Geschichte sprechen würde, vielleicht würde ich dann sogar noch Ängste schüren, weil das sind halt einfach Erlebnisse, die ich ja mit dieser Person hatte, die auch angsteinflößend waren. Das ist einfach so. Eine Psychose oder eine psychotische Episode, die ist für Außenstehende einfach recht schwer nachvollziehbar und für Familienangehörige, die das ganze Leben mit dieser Person verbracht haben, noch viel schwerer mit anzusehen. Ich will ja auch nicht noch mehr Vorurteile schüren und Horror-Stories erzählen. Aber es ist einfach so, es hat auch durchaus angsteinflößende Momente gegeben.
Lucia
12:13 – 12:29
Da ist halt die Frage, lässt man das dann aus, die Geschichte irgendwie, ja, irgendwie anschaulicher zu machen, beziehungsweise annehmbarer für andere zu machen? Oder erzählt man eben alles?
Nele
12:30 – 12:54
An der Stelle würde mich mal interessieren, ob du da schon gewisse Erfahrungen mitgemacht hast. Hast du das schon mal so ein bisschen detaillierter und eindringlicher erzählt? Ich weiß jetzt nicht, ob zum Beispiel an Schulen, wenn du da unterwegs bist oder auch im privaten Umfeld, im familiären Umfeld, sage ich jetzt mal. Wie waren so deine Erfahrungen damit, wenn du da vielleicht auch mal mehr ins Detail gegangen bist?
Lucia
12:56 – 13:37
Genau, also die Erfahrungen waren ganz unterschiedlich und auch die Beweggründe, warum ich dann ins Detail gegangen bin. Manchmal war das tatsächlich so, dass ich das Gefühl hatte, dass es so ein bisschen relativiert wird. Dass gesagt wird, hey, das ist halt eine Psychose, das geht schon wieder weg, das ist jetzt nicht so schlimm. Ich habe gelesen, dass jetzt öfter mal welche haben und dass das jetzt nicht so furchtbar ist. Oder dass überhaupt nicht nachgefragt wurde, dass das Thema so komplett gemieden wurde. Dann wollte ich auch manchmal einfach so ein Statement setzen, sag ich mal, und hab dann auch wirklich von den Tiefpunkten gesprochen.
Lucia
13:37 – 13:58
Und hab gesagt, jetzt ist das und das passiert. Und ich wollte auch irgendwie so ein bisschen auslösen, dass man halt auch mitfühlt. Dass man sagt, krass, was dir passiert. Jetzt kann ich das besser nachvollziehen, dass es dir so schlecht geht. Und ich hatte das Gefühl, ich muss das halt irgendwie sagen, sonst kommt diese diese Botschaft nicht an.
Nele
13:58 – 14:44
Ja. Dieses sehr drastische Erzählen, dann vielleicht auch wirklich bei den Leuten, die das ab und zu mal gehört haben, bisschen was davon gelesen haben, denen einfach auch eindringlich klarzumachen, dass das eine ganz, ganz ernstzunehmende Sache ist, worunter natürlich die betroffene Person, aber auch ich als Angehörige, extrem leide. Und dass das vielleicht auch nicht mal eben, wie ich gelesen habe, mal wieder vorbei sein kann. Dafür ist es dann, ja, kann ich mir vorstellen, vielleicht wichtig und nötig, trotzdem natürlich, aber auch eine große Überwindung, kann ich mir vorstellen, da vielleicht auch mit Details öffentlich zu werden, die einem ja selber auch weh tun, die der anderen Person vielleicht auch weh getan haben, in dem Moment.
Nele
14:45 – 15:00
Das ist wirklich, glaube ich, etwas, was nicht leicht fällt, da wirklich so ins Detail mitzugehen, so wichtig es auch ist, es klarzumachen und vielleicht auch diesen Tabubruch zu erzielen, um den es ja jetzt auch gerade bei uns heute geht.
Lucia
15:01 – 15:43
Ja, häufig war das eben auch so, dass wenn ich über solche Momente gesprochen habe, dass ich mich so sehr wieder zurückversetzt habe in diesen Moment, dass es mir nicht nur wieder weh tut, sondern ich auch wieder Angstgefühle habe. Also diese Ängste sind auch wieder hochgekommen und ich musste mich dann manchmal total zusammenreißen, dass ich nicht auch selbst in so eine Angstattacke verfalle. Damit hatte ich auch die letzten Jahre, wenn es mir schlecht ging, zu kämpfen. Weil einfach, dass es auch solche krassen Emotionen auslöst und solche Belastungen hervorruft. Damit hätte ich am Anfang nicht so gerechnet, weil ich mich doch schon für sehr aufgeklärt und resilient gehalten habe.
Lucia
15:44 – 15:53
Und dann ging quasi diese Bombe hochgegangen mit der Erkrankung. Dann habe ich das auch mal selbst erfahren dürfen.
Julia
15:54 – 16:36
Manchmal muss man die Dinge erst mal selbst erlebt haben, es beurteilen zu können. Das ist ja auch so ein Dauerthema, dass gerade als angehörige Person dir Gefühle abgesprochen werden oder seltsam damit umgegangen wird. Ich hab die Erfahrung gemacht, entweder es wird total überdramatisiert, wo ich mich dann auch nicht mehr mit wohl fühle. Wo ich denke, jetzt mal wieder ruhig mit den Pferden hier. Oder es wird halt total abgetan mit, ach, das wird schon wieder. So schlimm ist es sogar nicht. Oder es gibt ja auch Leute, die können gar nicht damit umgehen und reagieren dann auf ganz komische Arten.
Julia
16:37 – 17:22
Also, ich weiß nicht, verlassen den Raum, was auch immer. Irgendwie gibt es ja alles. Und das ist nämlich hier so ein Punkt quasi auf meinem Zettel, dieser Zwiespalt zwischen, wann rede ich, wann rede ich nicht, wie schütze ich die Person durch Schweigen. Aber die große Überfrage, die wir als Angehörigen-Podcast stellen, ist, wie ist das denn für die angehörige Person? Also in dem Fall, wie ist das für dich? Irgendwie, was passiert da mit dir, wenn du falsche Bilder zurückgespiegelt bekommst? Aber du vielleicht auch Angst hast, ein falsches Bild zu vermitteln? Also wie du gerade sagst, Du sprichst extra nicht über die Extremsituation, damit man nicht noch mehr Angst vor dem Krankheitsbild bekommt.
Julia
17:22 – 17:36
Gleichzeitig sind diese Extremsituationen ja Alltag. Gleichzeitig will man die betroffene Person aber nicht in die Pfanne hauen. Das ist ja alles da irgendwie mit drin. Kannst du da nochmal irgendwie für dich erzählen, wie sich das in der Angehörigenperspektive anfühlt?
Lucia
17:37 – 18:18
Ja, ich glaube, Spannungsverhältnis trifft es am besten. Also es ist so eine wirkliche innere Zerrissenheit. Man ist, also gerade auch ich, weil ich in dem Bereich Gemeindepsychiatrie so lange arbeite und dachte, okay, das Thema Stigmatisierung finde ich superspannend. Da muss was passieren, da muss eine Bewegung her und ich möchte irgendwie Teil davon sein. Und dann bin ich irgendwie auch vielleicht mehr in der Lage dazu, das sogar zu tun, weil ich jetzt Angehörige bin und auch irgendwie dieses Schicksal nutzen kann. Und dann merke ich erst, okay, das ist erstens emotional nicht leicht, drüber zu sprechen, weil das traumatische Erlebnisse sind, die man erfahren hat.
Lucia
18:18 – 19:06
Und ich möchte auch meine eigene psychische Gesundheit schützen. Und auf der anderen Seite ist da auch noch irgendwie, ja, dieses Gefühl, dass man in der Verantwortung ist, es zu tun. Weil irgendwo muss ja die Bewegung anfangen. Und wenn nicht ich darüber rede, dann kann ich es auch nicht von anderen erwarten, darüber zu sprechen. Das ist halt irgendwie… Das hat total viele Konflikte in mir ausgelöst. Und es tut es auch immer noch. Ich versuche, das positiv zu sehen und versuche, daran zu arbeiten. Wie heute, einfach das zu machen, was mir möglich ist, ohne mich in irgendwelche Grenzsituationen zu bringen, wo ich mich dann im Nachhinein nicht mit wohlfühle.
Lucia
19:07 – 19:18
Aber es ist und bleibt einfach schwierig. Also, irgendwer muss die Bewegung anstoßen, aber man selber ist dann doch irgendwie gefangen in den Strukturen.
Nele
19:19 – 20:03
Ja, das ist natürlich aber auch irgendwie ganz logisch, weil es aus unserer Angehörigenperspektive heraus ja eben um andere geht. Wir sind angehörig aufgrund der Betroffenheit einer anderen Person. Das heißt, es bleibt nie deine einzige Geschichte. Deshalb denkt man ja auch immer mit für andere Leute und die Konsequenzen darüber. Ich weiß es nicht. Ich stelle es mir nur so vor, wenn man das jetzt aus, also eine betroffene Person, das aus ihrer Perspektive macht, dass es dann ja schon auch möglich ist, das dann von Angehörigen vielleicht auch so ein bisschen abzugrenzen. Aber wenn du als Angehörige aus dieser Perspektive redest, dann musst du diese Betroffenheit und letztendlich auch die betroffene Person irgendwie mit einbeziehen.
Nele
20:03 – 20:40
Und dass man da dann natürlich auch mehr darüber nachdenkt, wie mache ich das jetzt, welche Konsequenzen könnte das in sich bergen? Für mich, als auch für die ganze Familie, für die Person, um die es geht. Das kostet so viel Überwindung, das zu machen, kann ich mir nur vorstellen. Für meinen Teil, mir fällt es auch total schwer, das zu tun, muss ich ganz ehrlich sagen. Damit wirklich öffentlich zu werden, habe ich jetzt so auf die Weise auch noch nicht gemacht, wenn dann wirklich eher so im sehr kleinen Rahmen, im Rahmen der Selbsthilfe, mich mit anderen Leuten darüber ausgetauscht.
Nele
20:41 – 21:10
Aber mir war es dann schon auch immer wichtig, dass ich auch nicht zu viel preisgebe. Immer so viel, dass ich das Gefühl hätte, das wäre jetzt noch gut für die betroffene Person. Ich habe die da immer sehr bei berücksichtigt. Und ich kann mir vorstellen, dass das vielleicht auch ein Punkt ist, dass man das im Hinterkopf hat. Wie stelle ich die Person dar? Nicht nur, was bewirkt das für Konsequenzen, sondern auch vielleicht ein bestimmtes Bild, was man vermitteln möchte von dieser Person, weil sie einem ja auch nahesteht.
Lucia
21:11 – 22:00
Genau, und weil man ja auch, sage ich mal, die gesunde Person kannte und jetzt nicht das Bild verfälschen möchte und sie als kranke Person auch irgendwie wieder in eine Schublade stecken möchte. Und ich wollte auch nicht, dass meine Freunde z.B. die Person dann anders sehen, wenn wir uns getroffen haben. Oder dass da irgendwelche Berührungsängste aufkommen. Und deswegen war das immer schwierig, darüber zu sprechen. Und ich hab dann vielleicht auch manche Sachen ein bisschen schöner geredet, als sie waren. Oder irgendwie versucht, direkt im Vorhinein schon Ängste abzubauen. Damit das einfach nicht so aufkommt. Und was mir noch irgendwie so in den Sinn kam, ist auch so, dass ich immer ein bisschen Angst hatte, auch vor Sensationsgeilheit so ein bisschen.
Lucia
22:00 – 22:42
Also dass ich auch immer Angst hatte, wenn ich jetzt einmal anfange, über manche Dinge zu sprechen, dass dann auch Personen kommen und die fragen wirklich, was war denn das Schlimmste? Und warum kamen denn die Zwangseinweisungen? Und wirklich solche, sag ich mal, ein bisschen sensationsheischenden Fragen gestellt haben. Und das fand ich immer superunangenehm. Ich nehme das den Personen nicht wirklich übel. Generell keine Reaktion von irgendwem jemals, weil die Personen es einfach nicht besser wissen, leider. Und das hat gesellschaftliche Gründe. Aber genau, es waren halt super, super unangenehme Situationen. Wo ich auch dachte, manchmal, wenn ich Fragen beantwortet hab, ist das jetzt in die richtigen Ohren gekommen?
Lucia
22:43 – 22:55
Oder habe ich damit das erreicht, was ich eigentlich erreichen wollte? Oder habe ich das noch schlimmer gemacht und das Bild noch weiter verzerrt und noch mehr Vorurteile angekurbelt?
Julia
22:57 – 23:42
Ich kenn z.B. einen Betroffenen mit paranoider Schizophrenie, der bewusst von Psychose spricht, weil er meinte, wenn er sagt, ich hatte oder habe eine paranoide Schizophrenie, dass er dann ganz schnell in diese „Axt rennt durch den Wald“-Schublade gesteckt wird. Und Psychose ist ein bisschen konfuser im Begriff. Ich glaube, das ist aber ja mit fast allen Krankheiten so. Wenn man über Depressionen spricht, denkt man immer an den traurigen Menschen, der sich im Bett zusammengerollt hat. Oder wenn man über Essstörungen spricht, denkt man immer an die junge Frau, die nichts mehr ist. Das führt ganz schnell zu sehr klaren Bildern und Konsequenzen, die Menschen damit in Verbindung bringen, die nicht unbedingt der Realität entsprechen müssen.
Julia
23:42 – 24:12
Wie du sagst, die Person gibt es ja auch manchmal oder gab es zumindest mal ohne die Erkrankung. Die ist ja nicht nur die Erkrankung im besten Fall. Das macht ja auch viel. Dass man ja meistens die betroffene Person auch lieb hat, dass man auch schöne Zeiten mit der hat. Und dass sie eben nicht nur Stimmen hören oder depressive, schlimme Phasen hat oder so. Sondern es ist ja viel mehr dahinter.
Lucia
24:12 – 24:56
Ja, und was man halt auch nicht vergessen darf, ist, dass man sich als angehörige Person auch manchmal einfach mitschuldig fühlt. Dass man auch manchmal einfach denkt, okay, irgendwie ist es halt auch mit meine Schuld. Z.B., dass ich die Symptome nicht früh genug erkannt habe. Also gerade ich, die in einem Bereich schon länger gearbeitet hat, als diese Erkrankung in der Familie ist, dachte ich mir super oft, ey, warum sind mir diese offensichtlichen Dinge nicht aufgefallen und warum habe ich das nicht zusammengefügt und vielleicht hätte ich das Schlimmste abwenden können. Oder ja, und dann hat man halt auch das Gefühl, wenn man darüber spricht, dass man mit Schuld hat, und dann ist es einem auch einfach unangenehm, manchmal drüber zu sprechen.
Lucia
24:58 – 25:21
Weil ich dann die Angst habe z.B., dass mich andere auch in der Schuld sehen. Ich weiß, dass das vielleicht super irrational ist, aber das sind einfach solche Gefühle, die man ständig hat. Nicht nur Schuld der Person gegenüber, die erkrankt ist, sondern auch, weiß ich nicht, der Familie gegenüber. Und ganz, ganz konfuse Gefühle, die da irgendwie auftauchen.
Julia
25:22 – 26:00
Das macht einfach sehr, sehr viel mit einem. Ich finde gerade in Bezug auf Öffentlichkeit, weil ich es auch gerade bei dir so spannend finde, hatten wir auch im Vorgespräch ja schon besprochen und lässt du ja jetzt auch durchklingen. In deinem Arbeitsbereich ist das überhaupt kein Problem, darüber zu sprechen. Es ist der Bereich, der sich darum dreht. In deiner Familie ist es auch kein Problem, darüber zu sprechen. Trotzdem ist es ein Problem, darüber zu sprechen. Allein, dass wir jetzt eben gucken müssen, wie wir darüber sprechen, dass diese Person nicht geoutet wird. Dass man nicht weiß, wie man Freund:innen davon erzählen soll.
Julia
26:00 – 26:40
Dass man nicht weiß, wie man den Nachbarn davon erzählen soll. Es gibt ja 1.000 Gelegenheiten. Ich denke auch immer an Momente auf Partys, wenn ich z.B. nach der betroffenen Person bei mir gefragt werde, habe ich noch immer keine Antwort da drauf. Ich reagiere jedes Mal gefühlt anders. Mal bin ich ganz ehrlich, weil ich denke, scheiß drauf, ich ziehe das jetzt einfach durch. Und mal umschiffe ich das auf die eine oder andere Art sehr klar, dass wirklich daraus nicht erlesbar ist, dass diese Beziehung schwierig sein könnte oder so. Also sagt dann irgendwie Sachen, die Person wohnt weit weg oder so.
Julia
26:40 – 27:07
Und dann lass ich das einfach so stehen. Und ja, find das ganz spannend, wie Nele im Vorgespräch angesprochen hatte, das finde ich einen ganz spannenden Punkt, wenn ich jetzt konkret danach gefragt werde, wie geht es dieser Person? Beziehungsweise wenn du danach gefragt wirst, wie gehst du damit um, also bei Menschen, die es entweder wissen oder auch nicht wissen. Also beides würde mich interessieren.
Lucia
27:07 – 27:45
Genau so wie bei dir. Also es kommt auf das Umfeld an, es kommt auf den Tag an, es kommt wirklich auf meine Verfassung an, es kommt auf so viele Umstände an, wie ich auf diese leichte oder einfache Frage, wie geht’s der Person, reagiere. Das ist so unterschiedlich. Es gab in diesen 4 Jahren bestimmt Monate, wo ich überhaupt nicht drüber sprechen konnte. Weil sobald ich drüber gesprochen habe, und das so auch, wenn man über etwas spricht, dann wird das ja auch irgendwie direkt verbildlicht. Und ja, wie gesagt, wie ich eben schon sagte, die Emotionen kommen hoch.
Lucia
27:45 – 28:25
Und es gab Phasen, ich konnte nicht darüber sprechen, sonst wusste ich, ich kriege eine Angstattacke. Also es war für mich voraussehbar und deswegen konnte ich darüber nicht sprechen, wollte ich das nicht. Und dann gab es Phasen, wo ich auch irgendwie so ein bisschen wie so ein aufklärender Mensch durch die Gegend gelaufen bin und wirklich auch gerade im Bekanntenkreis immer wieder auch bewusst das Thema angesprochen habe, weil ich dachte, Leute, psychische Gesundheit ist so wichtig und ihr müsst auf euch aufpassen. Und, ähm, genau, da bin ich auch so ein bisschen in diese Rolle verfallen, dass ich dann auch gerne drüber gesprochen hab.
Lucia
28:25 – 28:50
Und auch natürlich jetzt an den Schultagen, wo ich an den Schulen über psychische Gesundheit aufkläre, dann nutze ich ja auch bewusst die Situation, dass ich das bestimme, dass das Thema jetzt auf den Tisch kommt. Und dann fragt mich keiner, wie geht’s der Person, sondern ich erzähle, okay, so und so war das bei uns. Und so entsteht eine psychische Erkrankung, mehr oder weniger.
Nele
28:51 – 29:26
Das ist, finde ich, ein ganz interessanter Punkt, dass man das dadurch natürlich auch so ein bisschen steuern kann, indem ich mich jetzt bewusst dazu entscheide, darüber zu sprechen. Ich erzähle jetzt, was ich erzählen möchte. Ich habe mir darüber vielleicht auch vorher Gedanken gemacht. Und so bringe ich das nach außen. Und grundsätzlich kann ich das auf jeden Fall sehr gut nachvollziehen, dass man immer andere Einstellungen zu dieser Frage und damit auch zu diesem Thema hat, dass man mal wirklich gar nicht darüber sprechen kann und an anderen Tagen kann man vielleicht auch gar nicht mehr aufhören und möchte das bis ins kleinste Detail da beschreiben.
Nele
29:27 – 30:08
Manchmal kommt es natürlich auch auf die Person an, die einen das fragt. Wenn man merkt, die schaltet jetzt vielleicht auch ab nach 5 Minuten, weil sie es vielleicht schon 5-mal gehört hat. Und es hat sich nicht viel geändert, dann hast du auch nicht mehr so Lust, was zu erzählen. Oder wenn es eine Person ist, wo du weißt, die ist ein bisschen sensationsgeil, dann hast du auch nicht so Lust. Also ich finde, es kommt da echt auf sehr viele verschiedene Faktoren an, insbesondere natürlich auf die Menschen auch an sich, die einen da fragen. Und was mir da jetzt gerade noch mal so hängen blieb, das finde ich, ist auch einfach ein Thema, was uns Angehörige immer, ja, einfach auch immer begleiten wird, wie die Angehörigkeit als solche natürlich.
Nele
30:10 – 30:49
Für uns bleibt das eben so gleich und es passiert nicht immer unbedingt viel bei der betroffenen Person, um die es geht und vielleicht auch nicht in unserem Leben, aber dieses Gefühl, was man da hat, dieser Schmerz, den man damit verbindet, der bleibt, auch wenn der mal stärker, mal schwächer gefühlt wird. Und ganz oft merke ich dann auch, wenn Leute fragen, das ist für die gar nicht so greifbar oder vielleicht auch nachvollziehbar, dass du immer noch an diesem Punkt bist teilweise, dass sich irgendwie immer noch nichts verändert hat, dass du eigentlich immer noch auf der Bahn stehst, die Räder drehen irgendwie so durch und alle fahren an dir vorbei.
Nele
30:49 – 31:07
Du bist aber immer noch an diesem Punkt. Und dann macht es, finde ich, auch ganz oft einfach nicht so Spaß. Ist auch blöd, aber man hat da nicht so den Mehrwert, darüber zu reden, weil man sich denkt, ja, du fragst jetzt, willst du jetzt die gleiche Geschichte nochmal hören? Also ich finde, es kommt wirklich darauf an, mit wem man da zu tun hat.
Lucia
31:07 – 31:43
Ich habe auch das Gefühl, man hat auch einfach Angst, zu sagen, ja, ist das alles super, und der Person geht es gut, und die Maßnahmen haben alle funktioniert, und es geht bergauf. Weiß aber irgendwie im Hinterkopf, es kann jeden Moment kippen. Und dann ist es halt morgen ganz anders. Manchmal habe ich dann auch Angst vor diesem Gefühl der Enttäuschung. Weil es ist halt einfach so, dass man sich nicht wirklich darauf verlassen kann, dass es so bleibt und wie lange es so bleibt. Man ist immer in so einer Schwebe. Es kann sich jeden Moment mit jeder Nachricht, mit jedem Anruf irgendwas verändern.
Lucia
31:44 – 32:29
Das ist, finde ich, ein ganz, ganz unangenehmes Gefühl. Ich versuche, das auch im Alltag wegzuschieben, weil ich generell keine Person bin, die vom Schlimmsten immer ausgeht. Ich glaube, dann wäre ich auch sehr unglücklich. Aber es ist einfach so, dass Dinge jederzeit passieren können, die dein Leben auch mit beeinflussen als angehörige Person. Ich glaub, dessen muss man sich auch manchmal bewusst sein. Mir fällt es nicht leicht, zu sagen, alles super. Es kann sich morgen verändern irgendwie. Ich versuche dann eher, für mich dankbar zu sein und das für mich so als was Schönes zu empfinden, dass gerade einfach Ruhe eingekehrt ist, dass es der anderen Person vor allen Dingen gut geht.
Lucia
32:29 – 33:13
Das ist für mich immer das Wichtigste. Egal, wie das jetzt auf mich wirkt. Ich hatte das oft, dass ich dachte, oh Gott, mir gehts so schlecht damit. Die Person ist so psychotisch. Und das ist total krass, was da gerade abgeht. Dabei ging es der Person, die in der Psychose war, in dem Moment total gut. Und dann war ich auch in diesem Konflikt, vielleicht muss ich das gerade einfach mal so annehmen und so akzeptieren, wie es ist. Hauptsache, es geht der anderen Person gut. Und genau das war also, man macht sich da wirklich ganz, ganz viele Gedanken und ist immer in so einem Konflikt, auch welche Emotionen sind gerade angemessen und welche nicht.
Lucia
33:14 – 33:20
Und es ist wirklich schwierig das zu beschreiben, wie sich das anfühlt als angehörige Person.
Julia
33:21 – 34:06
Ich finde auch, um das Thema wieder auf dieses Reden darüber zurückzulenken ein Stück weit, gerade in so Momenten, was du jetzt auch meintest, finde ich es so schwierig. Also dieses: Wer bin ich? Darüber reden zu dürfen, zu können, wie auch immer, wie’s einer anderen Person geht. Also, weiß ich nicht, wenn Nele mir heute Morgen erzählt hat, wie’s ihr geht, dann weiß ich das. Aber erstens würde ich das nicht jedem unter die Nase binden. Und zweitens weiß ich es dann wirklich aus erster Hand in dem Moment. Wenn ich aber eben zu der betroffenen Person in meiner Familie gefragt werde, weiß ich das oft gar nicht so genau, weil ich ruf die Person ja da nicht sofort an und sag, hey, wie geht’s dir eigentlich?
Julia
34:06 – 34:43
Und da hat mich XY gefragt, irgendwie so läuft es nicht. Und zweitens sind ja auch die Wahrnehmungen, wie du grad schon gesagt hast, sehr verschieden. Du findest die angehörige Person psychotisch. Und findest das nicht so optimal, während die Person vielleicht eigentlich gerade die „Time of his or her life“ hat. Es kann ja auch sein, dass die Wahrnehmung einfach sehr, sehr verschieden sein kann. Gerade bei Menschen in der Psychose z.B. kann das ja wirklich sehr abweichend sein. Oder wenn ich das Gefühl habe, eine Person hat ein Drogenproblem oder ein Alkoholproblem, und die Person denkt sich an meinem Feierabendbier, das ist doch gar kein Problem, und das ist irgendwie doch alles cool.
Julia
34:44 – 35:16
Das kann ja so verschieden sein. Und wie kann ich, auch wenn ich mich als angehörige Person mit einem Menschen empfinde, der für mich offensichtlich ein Problem hat, darüber einfach so sprechen, einfach so quasi urteilen, womit nehme ich mir das raus? Das denke ich mir mittlerweile oft, dass ich das ganz lange nicht so gesehen habe. Mittlerweile denke ich bei ganz vielen Punkten, nee, ich weiß es oft nicht. Und darf ich das einfach so sagen? Weil es ist eigentlich gar nicht meins. Es ist ja eben von der Person.
Lucia
35:18 – 36:01
Ja, total, das Thema Privatsphäre und Grenzen irgendwie, die man da überschreitet vielleicht im Zweifelsfall und ja, damit hatte ich auch häufig zu kämpfen, dass ich dachte, okay, irgendwie, dass das jetzt wirklich, also es geht eigentlich wirklich niemandem was an und die Person ist gerade so in einer anderen Welt, dass sie sich im Zweifelsfall nicht mal daran erinnern wird, dass sie das jemals getan oder gesagt hat. Und ich spreche darüber und irgendwie jetzt, wo es der Person auch besser geht und sie nicht mehr psychotisch ist, denke ich mir manchmal, oh, ich habe Dinge erzählt oder ich weiß mehr als die Person, die betroffen ist.
Lucia
36:01 – 36:43
Und das ist irgendwie auch manchmal ein komisches Gefühl, dass ich, also das ist auch irgendwie so ein ungutes Machtding, dass man einfach irgendwie die Geschichte besser kennt als die Betroffenen manchmal. Oder was heißt besser kennt, anders kennt auf jeden Fall. Und genau, das macht natürlich auch manchmal die Kommunikation schwierig, weil einfach Dinge fehlen oder ganz anders wahrgenommen wurden in der Geschichte. Und ja, wie kann ich mit jemandem auch drüber sprechen, der betroffen ist, der sich selbst gar nicht mehr so daran erinnert oder ganz anders daran erinnert? Das ist halt auch ganz, ganz schwierig, die Kommunikation manchmal mit den Betroffenen.
Julia
36:46 – 37:25
Definitiv. Das kommt, finde ich, zusätzlich dazu, dass man manchmal, wie du sagst, Erinnerungen fehlen einfach auch an gewisse Situationen, wo man sagen, wo die angehörige Person sagt, du hast doch das und das gemacht. Die betroffene Person sagt, nö, hab ich nicht. Es gibt ja auch häufiger, bei verschiedenen Krankheitsbildern, das kommt ja auch dazu, dass es nicht unbedingt eine Seltenheit ist. Und dass ich zusätzlich denke, es geht ja bei diesem über jemanden Reden, geht es ja immer die betroffene Person. Da machten mich oder grundsätzlich Menschen sehr oft darauf aufmerksam, was ich als sehr guten Punkt empfinde.
Julia
37:26 – 38:05
Aber was ist eigentlich mit uns Angehörigen? Also wann werden wir gefragt, wie es uns damit geht, dass jemand regelmäßig zwangseingewiesen wird oder auch nur harmloser, also ich nenne es jetzt mal harmloser, obwohl es das ja oft auch nicht ist. Dass jemand die ganze Zeit zu Hause mit einer starken Angststörung lebt oder was auch immer. Das belastet ja einfach trotzdem die Angehörigen. Und es geht ja eben nicht nur um die betroffene Person, sondern auch, wie es uns damit geht. Man muss ja auch dazu sagen, dass Angehörige nun mal in den allermeisten Fällen das Auffangnetz sind. Und die müssen ja auch stabil gehalten werden eigentlich, damit das alles machbar ist.
Julia
38:06 – 38:17
Da wird der Fokus ganz oft von weggerückt. Kannst du da sagen, wirst du konkret gefragt, wie es dir geht damit? Wenn ja, wie gehst du damit wenn nein, wie gehst du damit um?
Lucia
38:17 – 38:51
Zum Glück werde ich danach gefragt. Zum Glück habe ich sehr gute Freunde, die mich vor allen Dingen nach meiner Gesundheit fragen. Und wo die Gesundheit der angehörigen Person auch nicht immer eine Rolle spielt. Das war auch ein langer Weg, da irgendwie eine gute Kommunikation zu finden. Das ist einfach so, das dauert. Bis ich selbst rausgefunden habe, wie ich mich wohl damit fühle, kann ich ja auch nicht von anderen erwarten, dass sie direkt wissen, wie sie das Thema ansprechen können. Und genau, also ich werde gefragt, wie es mir geht, und ich kann das auch ganz gut beantworten.
Lucia
38:51 – 38:56
Es fällt mir deutlich leichter, als zu beantworten, wie es der betroffenen Person geht.
Nele
38:57 – 39:31
Ich finde, das ist auch total wichtig. Weil gerade dadurch, dass man selber gefragt wird, wie es einem geht, fragt man sich dann eben auch, wie es einem geht. Und wenn der Fokus sonst überwiegend vielleicht darauf liegt, wie es der betroffenen Person geht, dann denkt man ja für die auch immer mit. Und das ist ja schon anstrengend genug, weil man daran denkt, ein bestimmtes Bild vermitteln zu wollen von der Person, vielleicht auch irgendwelche blöden Konsequenzen oder Redereien aus dem Weg zu gehen. Also das ist ja erst mal schon blöd. Und dadurch entfernt man sich ja aber noch mehr von dem eigenen Gefühl zu der Sache.
Nele
39:32 – 40:08
Und wenn man dann selbst mal gefragt wird, wie geht es dir eigentlich, dann muss man erst mal überlegen. Und ich finde aber auch dadurch, durch dieses konkrete Fragen nach dir, nach deinem Empfinden in der Angehörigenperspektive, kommt man auch erst mal darauf zu überlegen, wie geht es mir eigentlich? Und da ist eine Belastung, die vorliegt. Da ist was Schwerwiegendes los, und mir geht es nicht gut. Und ich muss mich auch damit befassen. Und ich spiele hier auch eine Rolle in diesem ganzen Gefüge. Und ich finde, das ist etwas, was wirklich sehr gut gefördert werden kann durch ein Umfeld, was sich dann eben auch konkret nach dir erkundigt.
Nele
40:08 – 40:18
Und nicht unbedingt nach der betroffenen Person. Das kann es einem auch leichter machen, die eigenen Gefühle erst mal zu erkennen, anzunehmen und dann auch wirklich bearbeiten zu können.
Julia
40:19 – 41:02
Ich finde das einen superwichtigen Punkt, da gebe ich dir total recht. Aber ich habe das Gefühl, in jeder Angehörigenrolle, wenn ich jetzt gerade so ein Konstrukt Familie betrachte, wird das oft aus verschiedenen Gründen nach hinten gestellt. Kinder psychisch erkrankter Menschen haben oft keine eigene Lobby. Es sind Kinder, die können sich vielleicht nicht so äußern. Geschwister oder Geschwisterkinder fallen oft hinten runter und sollen sich bloß zurückhalten. Es gibt das andere Problemkind, ein Problemkind. Bei Eltern ist das noch mal anders. Die denken Himmels Willen, bitte lass mein Kind gesund werden. Alles nur das nicht. Oder ich setze jetzt alle Hebel in Bewegung.
Julia
41:02 – 41:36
Und schon stellt sich diese Frage nach, wie geht es mir eigentlich selber, komplett hinten an. Und ich kenne sogar viele Angehörige, die (Diese Frage ist superwichtig, wie du gesagt hast, Nele.) aber ich kenne viele, die, wenn du sie das konkret fragst, gar nicht darauf antworten können, sondern sofort auf die betroffene Person eingehen. Weil die das überhaupt nicht mehr abstrahieren können in dem Moment. Dass sie damit nicht immer nur zusammenhängen müssen, sondern dass sie auch eine eigene Gefühlswelt haben dürfen, die da in Bewegung gesetzt werden darf.
Lucia
41:37 – 42:15
Ja, man wird ja nicht unbedingt direkt in den Hintergrund positioniert, sag ich mal, im Familiengefüge. Ich glaube, man wird weiterhin genauso geliebt wie vorher. Aber man wählt selbst auch bewusst die Person oder die Position, sich im Hintergrund zu bewegen und nicht aufzufallen und die andere Person in den Mittelpunkt zu stellen. Man macht da auch bewusst mit, weil es ist halt auch einfach so, es geht grad nicht um einen selbst irgendwie. Und natürlich, irgendwann fällt einem das erst mal auf, okay, irgendwie wurde mir länger nicht die Frage gestellt. Oder ich muss mir auch selbst die Frage stellen.
Lucia
42:15 – 42:37
Und ich muss auch gucken, dass es mir gut geht und so. Aber ja, ich weiß auf jeden Fall, dass es Situationen gab oder lange Zeiten gab, wo ich das auch mir bewusst ausgesucht habe, diese Rolle im Hintergrund und die andere Person auch wirklich gerade in den Mittelpunkt zu heben, weil es da akut darum ging, dass es ihr besser geht und das wollte ich auch mit unterstützen.
Julia
42:38 – 43:13
Du wirst ja immer, ich finde diese Metapher so schön, die habe ich glaube ich auch an der Selbsthilfe gelernt zu dem Thema. Im Flugzeug wird einem ja empfohlen, sich erst selbst die Atemmaske anzulegen, bevor man die wem anders anlegt bzw. jemandem hilft. Ich finde, da ist noch immer so viel Wahres dran. Es bringt ja überhaupt nichts, sich selbst gegen die Wand zu fahren und sich ständig zu übernehmen und zu überfordern. Weil am Ende ist man dann selbst auch noch psychisch erkrankt, im schlimmsten Fall mit einem Burnout oder was auch immer. Da hat man ja selten was von gewonnen, sich in dem Rahmen zu übernehmen.
Julia
43:13 – 43:40
Aber klar, ich bin ganz bei dir, wenn wirklich eine akute Krise ist, wo es darum geht, Einweisung ja oder nein oder so, da denkt man ja in dem Moment nicht dran, hab ich da heute Bock drauf? Da muss man ja auch mal ganz realistisch bleiben. Leute, die das können, wirklich herzlichen Glückwunsch. Ich find das auch nicht egoistisch, sondern ich finde das wirklich einen großen Schritt für sich, das auch dann entscheiden zu können. Ich könnte es sicherlich nicht, also da bin ich mir sehr sicher.
Lucia
43:41 – 44:18
Ja, ich finde das ist auch irgendwie so ein bisschen ein positiver Effekt, den das Ganze hat, dass man viel stärker irgendwann lernt, auf seine eigene psychische Gesundheit zu achten, weil man weiß, wie schützenswert es ist und wie schlimm es ist, wenn die psychische Gesundheit zu einer psychischen Erkrankung wird. Und ich glaube, dieses wirklich „in sich hineinhören“, das hätte ich so in dem Maß niemals erlernt wie mit der Erkrankung von der betroffenen Person. Weil ich das auch gar nicht so kannte, dass die eigene psychische Gesundheit auch so einen hohen Wert hat. Also das war mir nicht so bewusst irgendwie lange.
Julia
44:18 – 44:32
Manchmal muss man es auf die harte Tour lernen, denke ich. Es ist natürlich kein Schicksal, was wir uns irgendwie gerne ausgesucht haben. Aber wie du sagst, manchmal kann man eventuell den einen oder anderen positiven Aspekten mitnehmen.
Nele
44:33 – 45:13
Ich finde auch, das ist eine sehr, sehr wichtige Erkenntnis, dann vielleicht auch auf sich zu schließen und da auch mehr auf sich zu achten. Mich würde noch interessieren, hast du denn noch, entweder für dich oder vielleicht auch für andere Menschen, die in dieser Situation stecken, Wünsche oder irgendwie, na ja, vielleicht auch Tipps, wie man da vielleicht auch mit diesem Tabubruch darüber zu sprechen, über diese Themen, wie man damit mehr im Einklang vielleicht auch mit seinem Gewissen sein kann und vielleicht auch dabei jetzt nicht unbedingt der Person, um die es geht, vielleicht irgendwas zu verbauen oder so oder das Bild zu zerstören.
Nele
45:13 – 45:22
Also es können ja auch einfach Wünsche sein, nichts was man selber vielleicht schon so für sich geschafft hat. Was würde es vielleicht dazu brauchen, das zu können?
Lucia
45:22 – 46:05
Ich glaube es hat ganz viel mit Erwartungen zu tun. Ich glaube man sollte sich niemals zu hohen Erwartungen stellen, dass man denkt, ich muss da jetzt super tough sein, ich muss jetzt rausgehen und muss das Positive draus ziehen und drüber sprechen und anderen helfen und der betroffenen Person helfen. Und man sollte auch nicht zu viel von Freunden, von der Familie erwarten, weil das sind einfach Themen, die auf den Tisch kommen, mit denen man manchmal noch nie konfrontiert war. Und dann irgendwie die Erwartung zu haben, dass jeder total woke ist und genau weiß, wie er zu reagieren hat. Das ist auf jeden Fall etwas, was ich genau gelernt habe, dass man diese Erwartungen nicht haben sollte.
Lucia
46:05 – 46:50
Und dass es völlig okay ist, wenn da auch mal Reaktionen kommen, die ein ungutes Gefühl auslösen. Darüber sollte man sprechen. Mein Wunsch ist, dass eine ganz offene und transparente Kommunikation irgendwann möglich ist. Und dass man sich die, solange das gesellschaftlich nicht so ist, zumindest schafft, dass man die aufbaut innerhalb des Freundeskreises, des familiären Kreises. Dass man da auch zusammen irgendwie dran arbeitet. Das ist nicht nur Aufgabe einer Person, da gehören alle zu. Und da würde ich auch einfach sagen, durchhalten und Erfahrungen machen. Und auch mal Rückschläge verkraften können, weil das einfach ein längerer Prozess ist, den das braucht.
Lucia
46:50 – 47:14
Also Kommunikation ist schwierig und gerade in diesem Thema. Und ja, was ich eben schon sagte, also auch immer da gut auf sich zu hören. Also man muss nicht immer über alles offen sprechen können. Das ist auch völlig okay, wenn es Phasen gibt, wo man mit keinem guten Gefühl rausgehen kann. Und ja, wenn man dann erst darüber spricht, wenn man sich dafür bereit fühlt.
Julia
47:16 – 47:40
Ich würde sagen auch, dass vielleicht sogar ein Stück weit Appell an die Gesellschaft, mal drüber nachzudenken, wie man damit umgeht und welche Fragen manchmal angemessen sind, beziehungsweise auch sagen zu können, ich möchte darüber jetzt nicht reden oder du hast mich mit der Aussage verletzt oder was auch immer. Ich glaube, das gehört ja auch leider dazu. Man kann bei sich gucken, aber es geht ja auch viel um andere.
Nele
47:42 – 48:25
Und auch offen und interessiert daran zu sein, Was passiert da eigentlich genau? Was hat es mit dieser Erkrankung auf sich? Wie geht es dir als angehöriger Person damit? Wie stellt sich das dar, vielleicht auch Interesse daran zu haben, da mehr drüber zu lernen und auch Vorurteile abzubauen? Deshalb ist das Reden darüber in jeglicher Form wichtig. Und was da jetzt vielleicht auch die persönlichen Tabus sind, weil man möchte ja vielleicht auch über gewisse Sachen nicht sprechen, das kann man ja dann auch immer ganz gut vor oder währenddessen festlegen. Aber in jedem Fall, der Austausch darüber ist, glaube ich, einfach das Allerwichtigste, das einfach zu entstigmatisieren.
Nele
48:25 – 48:26
Ja.
Lucia
48:27 – 49:10
Ja, das merkt man ja auch immer wieder, wenn man einmal anfängt, darüber zu sprechen, wie schnell man dann auch von Menschen umgeben ist, die selbst solche Erfahrungen machen in ihrer Familie und irgendwie dieses Netzwerk an Menschen, denen das ähnlich geht oder die auch solche Situationen kennen, das gibt einem so unheimlich viel Kraft irgendwie und nimmt einem so viele Schamgefühle, weil man merkt, es sind so viele, die das betrifft. Es ist auch schön, auch anderen da Mut zu schenken, darüber zu sprechen und zu merken, die Personen haben da vielleicht nicht oft drüber gesprochen, aber jetzt hatten sie einfach mal die Möglichkeit, überhaupt den Raum dafür, darüber zu sprechen, weil den gibt es ja auch irgendwie oft gar nicht.
Lucia
49:10 – 49:34
Also in welcher Situation erzählt man das denn einfach mal so, dass man eben in der Familie so in so einer Situation ist. Und genau dafür bin ich dann auch ganz dankbar bei den Schultagen, dass es dann bei diesen Workshops irgendwie auch einen Raum gibt für Schüler:innen und junge Menschen darüber zu sprechen, was auch innerhalb der Familie los ist und Fragen zu stellen.
Julia
49:35 – 50:13
Das finde ich auch in unserer Branche immer sehr angenehm, also egal welche Stellenanzeige man im gemeindepsychiatrischen Bereich so liest, also gerade was diese Referentinnenstellen und so angeht, also bei uns war Kriterium, angehörig zu sein. Das finde ich so wichtig, diese Arbeit auch begreifen zu können. D.h. nicht, dass andere Leute das nicht auch bestimmt gut machen. So ist es nicht. Aber das finde ich schon einen spannenden Aspekt, dem auch den Raum zu geben. Und in der Projektarbeit und Vereinsarbeit und was auch immer in dem Bereich, dass das schon auch einfach nicht ohne ist, diese Erfahrung auch mitbringen zu können.
Julia
50:13 – 50:37
Irgendwie, weil es einen ja auf die eine oder andere Art doch auch ein Stück weit professionalisiert. Also auch wenn man sich diese Profession nicht ausgesucht hat. Aber dann würde ich sagen, Lucia, wir danken dir sehr für diesen Tabubruch, den du hier mit uns begangen hast und offen über das alles zu sprechen. Mir hat es auf jeden Fall Spaß gemacht. Es war ein ganz angeregter, toller Austausch.
Nele
50:39 – 50:50
Ja, absolut. Stimmt, weil du das gerade auch meintest, das war ja dann auch irgendwie ein kleiner Tabubruch heute. Auf eine ganz, ganz positive Weise. Ja, echt ganz schön, dass du da gewesen bist heute.
Lucia
50:50 – 50:56
Ja, vielen Dank an euch auch, dass ich die Gelegenheit hatte, mal darüber zu sprechen, meine Gedanken mit euch zu teilen.
Julia
51:02 – 51:17
Das war „Unerhört Nah“, der Podcast für Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Dies ist ein Projekt des BApK mit Unterstützung der Barmer Krankenkasse. Hört nächstes Mal wieder rein, wenn wir mit Menschen sprechen, die verdammt nah dran sind.